Reuters

Insider - Heiztechnik-Konzern Viessmann vor Verkauf in die USA

25.04.2023
um 15:52 Uhr

- von Alexander Hübner und Christian Kraemer

New York/München (Reuters) - Das hessische Familienunternehmen Viessmann steht offenbar vor einem milliardenschweren Verkauf in die USA.

Der Klimaanlagen-Hersteller Carrier Global aus Florida befinde sich in fortgeschrittenen Verhandlungen über eine Übernahme des Spezialisten für Heizungen, Klimageräte und Wärmepumpen aus Allendorf an der Eder, sagten zwei mit den Plänen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Viessmann werde dabei mit mehr als zwölf Milliarden Dollar (umgerechnet elf Milliarden Euro) einschließlich Schulden bewertet. Die kleine Kühltechnik-Sparte bleibe außen vor. Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagte am Dienstag, die Bundesregierung müsse den Grund für die Übernahme genau analysieren. Produkte von Viessmann spielen eine Schlüsselrolle bei der Energiewende.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) favorisiert Wärmepumpen, wenn es um die Heizung von Wohnungen geht, nachdem die Energiewende nach seinen Vorstellungen das Aus für Gas- und Öl-Heizungen bringen soll. Vom nächsten Jahr an soll der Umstieg auf klimafreundlichere Heizungen forciert werden. Die Umsetzung ist aber innerhalb der Ampel-Koalition umstritten. Lindner warnte bei einer Veranstaltung des Wirtschaftsforums der SPD, es dürfe keine Fixierung nur auf eine Technologie geben. Man müsse dabei auch an die Anpassungsfähigkeit von Unternehmen denken. Sie müssten bei der Gesetzgebung mitkommen. "Denn ein Gesetz ist schneller geändert als eine Produktionsstraße."

VERKAUF STATT ANLEIHE?

Viessmann hatte wegen der rasant steigenden Nachfrage seit Monaten versucht, die Investitionen für den Hochlauf der Wärmepumpen-Produktion zu stemmen. Dafür sei eine Milliarde Euro nötig. "Zusätzliche Wachstumsmöglichkeiten müssen zusätzlich finanziert werden", hatte das Unternehmen im Februar erklärt. Viessmann prüfe dazu verschiedene Möglichkeiten, etwa die Begebung einer Anleihe oder einen EU-Kredit. Nun suchen die Familieneigentümer, deren Vermögen das "Manager Magazin" zuletzt auf vier Milliarden Euro schätzte, offenbar in einem Verkauf des Kerngeschäfts ihr Heil.

Die Transaktion, über die das "Wall Street Journal" (WSJ) als erstes berichtet hatte, könnte in dieser Woche offiziell werden. Einem Insider zufolge bekommt die Familie den Kaufpreis zum Teil in Aktien, zum Teil in bar. Viessmann wollte sich zu den Informationen nicht äußern. Carrier war 2020 entstanden, als der Mischkonzern United Technologies sich in drei Firmen für Flugzeugtechnik (Raytheon), Aufzüge (Otis) und Klimatechnik aufspaltete. Mit Viessmann will Carrier sein Geschäft internationalisieren. Von 20,4 Milliarden Dollar Umsatz kommen bisher 60 Prozent aus Nord- und Südamerika und nur 23 Prozent aus Europa.

Politiker der Ampel-Koalition forderten bei einem Verkauf von Viessmann Arbeitsplatz- und Standortgarantien. "Wichtig ist, dass durch das Investment der Standort Deutschland erhalten bleibt", sagte die Vizechefin der SPD-Bundestagsfraktion, Verena Hubertz, dem "Handelsblatt". Grünen-Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte Reuters: "Die Investitionen bleiben hoffentlich hier im Land." Die Fehler beim Aufbau der Solarindustrie dürften sich nicht wiederholen. Diese war größtenteils nach China abgewandert. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte dem "Handelsblatt", dem Wirtschaftsstandort Deutschland sei nicht geholfen, wenn man obendrein noch von chinesischen Wärmepumpen abhängig werde.

Das 1917 von Johann Viessmann gegründete Unternehmen hat im vergangenen Jahr den Umsatz nach eigenen Angaben um 19 Prozent auf vier Milliarden Euro gesteigert, gut die Hälfte davon wurde im Ausland erwirtschaftet. Rund 85 Prozent des Umsatzes stammen aus der Klimatechnik, zehn Prozent aus der Kühltechnik etwa für Supermärkte oder Krankenhäuser. Sowohl der Vorstandsvorsitz (Max Viessmann) als auch der Verwaltungsrats-Chefposten (Martin Viessmann) sind in Familienhand. Viessmann beschäftigt 14.500 Mitarbeiter.

(Bericht von Alexander Hübner, Anirban Sen und Christian Krämer; Redigiert von Hans Seidenstücker; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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