München (Reuters) - Der hessische Heizungs- und Klimatechnik-Hersteller Viessmann Climate Solutions wird für zwölf Milliarden Euro in die USA verkauft.
Die Gründerfamilie Viessmann trennt sich damit vom Kerngeschäft ihres 106 Jahre alten Unternehmens, dem eine Schlüsselrolle bei der von der Bundesregierung forcierten Umstellung auf Wärmepumpen zum Heizen von Wohnungen zukommt. Viessmann Climate Solutions gehört künftig dem Klimaanlagen-Hersteller Carrier Global aus dem US-Bundesstaat Florida, wie die Unternehmen am Dienstagabend mitteilten. Er soll das Geld aufbringen, das Viessmann für den Ausbau der Wärmepumpen-Produktion braucht.
"Wir können die weltweite Energiewende nur dann erfolgreich meistern, wenn Unternehmen global denken, handeln und zusammenarbeiten", erklärte Konzernchef Max Viessmann. Mit dem Zusammenschluss entstehe ein "zukunftssicherer globaler Klima-Champion". Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht den Verkauf grundsätzlich positiv. Er zeige, wie attraktiv deutsche Unternehmen seien. Trotzdem werde die Bundesregierung die Übernahme genau prüfen. "Wichtig ist, dass die Vorteile unserer Energiepolitik und Gewinne, die damit erwirtschaftet werden, auch weiter dem Standort Deutschland zugutekommen. Darauf werden wir achten."
Die Familie Viessmann erhält 80 Prozent des Kaufpreises in bar und 20 Prozent in Form von Carrier-Aktien. Sie wird damit einer der größten Anteilseigner des US-Konzerns. Max Viessmann zieht in den Verwaltungsrat von Carrier ein.
Viessmann ist neben Bosch (Buderus) und Vaillant einer der größten Heizungs-Hersteller in Deutschland. Von dem Verkauf betroffen sind 11.000 der 15.000 Viessmann-Mitarbeiter. An sie will die Familie 106 Millionen Euro als Sonderbonus ausschütten. Das Unternehmen wurde vor 106 Jahren vom Schlosser Johann Viessmann gegründet, seit 1937 sitzt es in Allendorf an der Eder. Die Heizungs- und Klimatechnik-Sparte steht für 85 Prozent der Umsätze. Sie erwartet im laufenden Jahr einen Umsatz von vier Milliarden Euro und einen operativen Gewinn (Ebitda) von rund 700 Millionen. Das Kühltechnik-Geschäft für Supermärkte oder Krankenhäuser bleibt in den Händen der Familie.
Carrier Global, bis 2020 ein Teil des Mischkonzerns United Technologies, will mit der Übernahme vor allem in Europa stärker werden. Bisher kommen rund 60 Prozent der Umsätze aus Nord- und Südamerika, nur knapp ein Viertel aus Europa.
KÜNDIGUNGEN FÜR DREI JAHRE AUSGESCHLOSSEN
Die Amerikaner geben Viessmann bei dem Verkauf langfristige Garantien: Betriebsbedingte Kündigungen sind für drei Jahre ausgeschlossen, Allendorf bleibt für mindestens zehn Jahre Sitz des Unternehmens, die wichtigsten Produktions-, Forschungs- und Entwicklungsstandorte sind für fünf Jahre sicher.
Carrier setzt mit der Übernahme vor allem auf den Siegeszug der Wärmepumpe: Der Markt in Europa werde sich bis 2027 auf 15 Milliarden Euro verdreifachen. Bundeswirtschaftsminister Habeck hält sie für die Wärmequelle der Zukunft, nachdem die Energiewende das Aus für Gas- und Öl-Heizungen bringen soll. Vom nächsten Jahr an soll der Umstieg auf klimafreundlichere Heizungen forciert werden. Die Umsetzung ist aber in der Ampel-Koalition umstritten.
Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagte, Habeck müsse genau analysieren, warum das Unternehmen verkauft werde. Man müsse auch an die Anpassungsfähigkeit der Firmen denken. "Denn ein Gesetz ist schneller geändert als eine Produktionsstraße." Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Thorsten Frei, sagte der Nachrichtenagentur Reuters: "Zu einem Ausverkauf unserer Vorzeigefirmen und zu einer Deindustrialisierung Deutschlands darf es nicht kommen." Habeck dürfe sich nicht nur als Klimaschutzminister, sondern müsse sich auch als Wirtschaftsminister verstehen, und dafür sorgen, die Standortbedingungen zu verbessern.
Viessmann hatte wegen der rasant steigenden Nachfrage seit Monaten versucht, neues Geld für den Hochlauf der Wärmepumpen-Produktion aufzubringen - rund eine Milliarde Euro, für die unter anderem ein Werk in Polen gebaut werden soll. "Zusätzliche Wachstumsmöglichkeiten müssen zusätzlich finanziert werden", hatte das Unternehmen im Februar erklärt. Das Vermögen von Max Viessmann und seinem Vater, Verwaltungsratschef Martin Viessmann, wurde vom "Manager Magazin" zuletzt auf mehr als vier Milliarden Euro geschätzt.
(Bericht von Alexander Hübner; Mitarbeit: Christian Krämer und Andreas Rinke; redigiert von Elke Ahlswede, redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)