Frankfurt (Reuters) - Investoren fordern einen Neuanfang unter dem neuen Bayer-Chef Bill Anderson für den Pharma- und Agrarkonzern.
Noch-Vorstandschef Werner Baumann, der die Übernahme des Saatgutriesen Monsanto zu verantworten hat und Bayer damit eine kostspielige Klagewelle wegen dessen Unkrautvernichters Glyphosat ins Haus holte, muss sich zu seinem Abschied scharfe Kritik anhören. "Ihre Amtszeit als Vorstandschef waren aus Sicht der Aktionäre verlorene Jahre", sagte Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei Deka Investment, am Freitag bei der virtuellen Hauptversammlung des Unternehmens. "Ein weiter so kann es nicht geben. Die Bewertung der Bayer-Aktie ist ein Trauerspiel."
Baumann hob in seiner Rede hervor, dass der Konzern "sehr gut" aufgestellt sei und auf einem starken und robusten Fundament stehe. Klar sei aber auch: "Mit dem aktuellen Aktienkurs bin ich nicht zufrieden", betonte Baumann, der seit 2016 Vorstandschef ist und nach 35 Jahren bei Bayer in den Ruhestand geht. "Der Börsenwert liegt aus unserer Sicht noch immer deutlich unter dem tatsächlichen Wert unseres Unternehmens. Wir werden weiterhin hart daran arbeiten, diese Lücke zu schließen", sagte der Manager. Das wolle Bayer erreichen, "indem wir die neusten Erkenntnisse der Life Sciences aufgreifen und immer wieder neue Produkte daraus hervorbringen, die den Menschen helfen ? immer bessere Arzneimittel, besseres Saatgut, besserer Pflanzenschutz. So schaffen wir langfristigen und nachhaltigen Wert", betonte Baumann. Er sei sich sicher, dass Bayer die beste Zeit noch vor sich habe.
Zum Juni übernimmt der ehemalige Roche-Pharmachef Anderson das Ruder von Baumann. Anderson bekam an der Börse bereits Vorschusslorbeeren, Investoren und Analysten trauen ihm einen Kurswechsel zu und hatten seine Wahl gelobt. Die Anteilseigner wollen nun wissen, wie es unter ihm weitergeht. "Welche Fragestellungen werden aktuell diskutiert, wann wird Bill Anderson den den Kapitalmarkt an seinen Überlegungen teilhaben lassen", fragte Hendrik Schmidt, Corporate-Govenance-Experte beim Bayer-Großaktionär DWS.
"ZEIT IST REIF FÜR NEUANFANG"
Seit Jahren machen immer wieder Spekulationen über eine Aufspaltung von Bayer die Runde - zuletzt befeuert durch den Einstieg aktivistischer Investoren. Der Hedgefonds Bluebell fordert eine Aufspaltung, die Fondsgesellschaft Union Investment sieht dagegen eine Abspaltung des Geschäfts mit rezeptfreien Gesundheitsprodukten als Option, um die Stimmung unter den Eigentümern zu drehen. "Eine Zerschlagung oder eine Abspaltung von Crop Science stehen zum jetzigen Zeitpunkt angesichts des Zukunftspotenzials des Konzerns für uns und viele langfristige Investoren nicht zur Diskussion. Sie wäre schädlich für die Arbeitnehmer und für den Industriestandort Deutschland", sagte Janne Werning von der Union Investment. Aber vor Bayer lägen große Aufgaben. "Die Zeit ist reif für einen Neuanfang."
(Bericht von Patricia Weiß, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)