Reuters

Scholz ruft EU zu engerer Zusammenarbeit auf

09.05.2023
um 10:57 Uhr

Straßburg (Reuters) - Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich für eine tiefere Integration der Europäischen Union ausgesprochen.

"Nicht weniger, sondern mehr Offenheit, mehr Kooperation sind das Gebot unserer Zeit", sagte Scholz am Dienstag laut Redetext vor dem Europäischen Parlament in Straßburg mit Blick auf andere Vorschläge etwa aus Polen. Ein europäisches Asylsystem müsse noch vor der Europawahl 2024 verabschiedet werden, sagte er. Zudem müsse der gemeinsame Einkauf von Munition und die Integration der europäischen Rüstungsindustrie vorangetrieben werden.

In der zweiten europäischen Grundsatzrede seiner Amtszeit plädierte Scholz zudem für eine Erweiterung der EU, die dann über 500 Millionen Bürgerinnen und Bürger haben könnte. Zudem müsse die EU nun "zügig neue Freihandelsabkommen schließen ? mit dem Mercosur, mit Mexiko, mit Indien, Indonesien, Australien, Kenia und perspektivisch mit vielen weiteren Ländern." Nur so könne man verhindern, dass weltweit niedrige Umwelt- und Sozialstandards festgeschrieben würden.

Scholz forderte eine "geopolitische" EU, die einer der Pole in einer multipolaren Welt sein solle. Die USA seien dabei der wichtigste Partner. Man sei aber dann ein besserer Verbündeter, wenn man technologisch souverän werde, mehr für Verteidigung ausgebe, zuverlässigere Lieferketten habe und mehr Unabhängigkeit bei kritischen Rohstoffen. Man müsse die Ukraine "langfristig" unterstützen. "Weil eine prosperierende, demokratische, europäische Ukraine die deutlichste Absage ist an Putins imperiale, revisionistische, völkerrechtswidrige Politik auf unserem Kontinent", betonte er.

China tauchte nur am Rande in seiner Rede auf. Der Kanzler warnte erneut vor einer Abkoppelung von China, die EU müsse aber ihre Risiken abbauen. Rivalität und Wettbewerb hätten seitens Chinas zugenommen. Die Europäer müssten die Sorgen und "berechtigten Interessen" der neuen Partner im globalen Süden ernst nehmen und gerade deshalb mit Nachdruck für Nahrungsmittelsicherheit und gegen den Klimawandel kämpfen.

Die EU-Partner und das Parlament rief Scholz zum einen auf, den Übergang zu Mehrheitsentscheidungen zu unterstützen, damit die EU durch den Wegfall von Vetos einzelner Staaten handlungsfähiger werde. Außerdem solle man die EU-Kommission darin unterstützen, jedes Mal Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, wenn ein Mitgliedsstaat gegen grundlegende Werte der EU verstoße. Zuletzt hatten Vertragsverletzungsverfahren gegen die nationalkonservativen Regierungen in Polen und Ungarn für Spannungen gesorgt.

Die Erweiterung um die Ukraine, Georgien und Moldau sowie die Westbalkan-Staaten sei auch für die EU wichtig. "Ein geopolitisches Europa misst sich auch daran, ob es seine Versprechen gegenüber seiner unmittelbaren Nachbarschaft einhält", mahnte Scholz.

(Bericht von Andreas Rinke; redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)