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Länder wollen 2023 eine Milliarde Euro und dauerhaft mehr Hilfe

10.05.2023
um 16:07 Uhr

- von Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - In der Debatte um die Flüchtlingskosten fordern die 16 Bundesländer im Spitzengespräch mit Kanzler Bundeskanzler Olaf Scholz am Mittwoch nachmittag kurzfristig und dauerhaft mehr Geld.

"Der Bund wird für das Jahr 2023 die Flüchtlingspauschale an die Länder um eine Milliarde Euro erhöhen, damit die Länder dabei unterstützt werden, ihre Kommunen zusätzlich zu entlasten und die Digitalisierung der Ausländerbehörden zu finanzieren", heißt es in einem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Papier, das die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten am Mittwochvormittag beschlossen haben.

Die Länder pochen daneben aber auch auf eine langfristige Entlastung, weil es sich bei den Migrationsbewegungen der letzten Jahre um eine dauerhafte Entwicklung handele. "Deshalb bedarf es eines Finanzierungsmodells, das der Höhe nach angemessen ist und sich verändernden Flüchtlingszahlen automatisch anpasst (atmendes System)", heißt es in dem Entwurf. Hierzu gehörten "im Wesentlichen einschließlich einer Dynamisierung" die vollständige Erstattung der Kosten für Unterkunft und Heizung für Geflüchtete, die Zahlung einer monatlichen Pro-Kopf-Pauschale sowie Integrationskosten sowie die Kosten für unbegleitete Minderjährige. "Wir wollen den Bund überzeugen, dass Hilfen für die Kommunen zwingend notwendig sind", sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) vor den Beratungen im Kanzleramt. "Bisher hat der Bund kein ausreichendes Problembewusstsein gezeigt", kritisierte NRW-Landeschef Hendrik Wüst. "Der Kanzler muss das Thema jetzt zur Chefsache machen."

Der Bund hatte zuvor angedeutet, dass er zwar seine Zahlungen für das Jahr 2023 erhöhen könnte, es ab 2024 aber keinen Spielraum im Haushalt mehr habe. Er trägt die Kosten der Unterkunft derzeit zu 75 Prozent und hat die Gesamtkosten für die ukrainischen Kriegsflüchtlinge übernommen. "Der Bund ist an seine Grenze gekommen", sagte Finanzminister Christian Lindner dem "Weser-Kurier". "Die Probleme kann man nicht dauerhaft nur mit Geld lösen." Der Bund gebe bereits Milliardensummen an die Länder, obwohl diese und die Kommunen für die Flüchtlingsversorgung zuständig seien. "Wir brauchen daher einen wirksamen Schutz der Außengrenze der EU, notfalls mit Zäunen, und mehr sichere Herkunftsländer, in die wir erleichtert abschieben können", sagte Lindner.

Die beiden Ministerpräsidenten machten klar, dass sie eine Bundeshilfe nur für 2023 nicht akzeptieren könnten. Zudem wiesen Weil und Wüst den Vorwurf aus Berlin zurück, die Länder würden nicht alles Bundesmittel an die Kommunen weiterleiten. Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen etwa zahlten den Kommunen dreimal so viel für Flüchtlingskosten als sie vom Bund überweisen bekämen, betonte beide Politiker. Weil sagte mit Blick auf die geforderte Anpassung der Bundeshilfen an die tatsächlichen Flüchtlingszahlen: "Ich glaube, dass sich dieser Schlussfolgerungen am Ende des Tages niemand entziehen kann."

Hintergrund der Debatte ist vor allem, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in den ersten vier Monaten dieses Jahres 101.981 Asylerstanträge registriert hatte. Das sind 78 Prozent mehr als im Vorjahr. Anders als bei den ukrainischen Kriegsflüchtlingen müssen Länder und Kommunen die Kosten für die nicht aus der Ukraine kommenden Menschen von der Antragstellung bis zu einem Bescheid über den Asylantrag übernehmen.

Neben den Finanzfragen wollen Bund und Länder auch etwa über schnellere Verfahren und Abschiebungen oder einen besseren EU-Außengrenzschutz reden.

(Mitarbeit: Christian Krämer; redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)