Reuters

Raketenangriffe auf Kiew - Klinik in Dnipro beschossen

26.05.2023
um 16:47 Uhr

Kiew/Moskau (Reuters) - Russische Streitkräfte haben in der Nacht zu Freitag erneut die ukrainische Hauptstadt Kiew und Charkiw angegriffen.

Beim Beschuss eines Krankenhauses in Dnipro im Osten seien mindestens zwei Menschen getötet und 30 verletzt worden, teilte der Gouverneur von Dnipropetrowsk, Serhij Lysak, mit. "Russische Terroristen bestätigen einmal mehr ihren Status als Kämpfer gegen alles Menschliche und Ehrliche", schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf Telegram. Zehn russische Raketen und mehr als zwanzig Drohnen seien abgefangen worden, erklärte das ukrainische Militär. Vor dessen erwarteter Gegenoffensive hat Russland seine Angriffe mit Raketen und Drohnen verstärkt und zielt vor allem auf Logistik- und Infrastruktureinrichtungen. Verhandlungen mit der Ukraine schließt Russland aus, solange Selenskyj im Amt ist.

"Es war eine sehr schwierige Nacht", teilte der Gouverneur von Dnipropetrowsk, Serhij Lysak, auf Telegram zu den Angriffen auf die Stadt Dnipro mit. "Es war laut - der Feind startete einen Großangriff auf die Region mit Raketen und Drohnen. Dnipro hat gelitten." Mehrere Häuser, Autos und private Firmen, darunter ein Transportunternehmen und eine Tankstelle, seien beschädigt worden. Bei den nächtlichen Angriffen wurde nach Angaben des Präsidialamtes in Kiew auch ein Öllager am Stadtrand von Charkiw getroffen. Es sei ein Feuer ausgebrochen, Pumpanlagen seien beschädigt worden. Charkiw ist die Hauptstadt der gleichnamigen Region und liegt im Nordosten der Ukraine. Auch im weiter westlich gelegenen Kiew berichteten die Behörden von Schäden an Gebäuden und Autos.

Die ukrainische Luftwaffe erklärte, sie habe zehn russische Raketen abgefangen, die vom Kaspischen Meer aus abgefeuert worden seien. Zudem seien 23 Angriffsdrohnen des iranischen Typs Schahed sowie zwei Aufklärungsdrohnen zerstört worden. Insgesamt seien 17 Raketen und 31 Drohnen während des russischen Angriffs gestartet worden, der von 22.00 Uhr am Donnerstag bis 05.00 Uhr am Freitagmorgen gedauert habe.

MEDWEDEW: KONFLIKT KÖNNTE NOCH JAHRZEHNTE DAUERN

Russland hat im Februar 2022 die Invasion des Nachbarlandes begonnen. Seit Oktober haben seine Truppen Hunderte Raketenangriffe auf die Ukraine ausgeführt, um ihre kritische Infrastruktur und ihre Energieanlagen zu zerstören. Der Konflikt könnte nach Darstellung des russischen Politikers Dmitri Medwedew, eines Vertrauten von Präsident Wladimir Putin, noch Jahrzehnte dauern. "Dieser Konflikt wird sehr lange andauern. Wahrscheinlich Jahrzehnte. Das ist eine neue Realität", sagte er russischen Nachrichtenagenturen zufolge. Russland könne sich nicht auf einen Waffenstillstand mit der gegenwärtigen Führung in Kiew verlassen, da der Konflikt einfach erneut ausbrechen würde. Verhandlungen mit "dem Clown Selenskyj" seien unmöglich. "Alles endet immer in Verhandlungen, und das ist unvermeidlich. Aber solange diese Leute an der Macht sind, wird sich für Russland die Lage im Hinblick auf Verhandlungen nicht ändern."

Medwedew ist Putins Stellvertreter an der Spitze des Nationalen Sicherheitsrates, der die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik Russlands bestimmt. Er drohte mit einem Präventivschlag für den Fall, dass der Westen der Ukraine Atomwaffen zur Verfügung stellen sollte. "Es gibt unumstößliche Gesetze des Krieges. Wenn es um Atomwaffen geht, muss es einen Präventivschlag geben." Der Westen unterschätze die Gefahr eines Atomkrieges. Russland, das über das größte Atomwaffenarsenal der Welt verfügt, hat dem Westen wiederholt vorgeworfen, einen Stellvertreterkrieg um die Ukraine zu führen, der zu einem viel größeren Konflikt führen könnte.

Westliche Staaten haben der Ukraine bereits große Mengen moderner Waffen und Munition geliefert. Keiner hat jedoch öffentlich vorgeschlagen, der Ukraine den Einsatz von Atomwaffen zu erlauben. Vielmehr warnte unter anderem US-Präsident Joe Biden davor, dass eine direkte Konfrontation zwischen der Nato und Russland zum Dritten Weltkrieg führen würde.

Die Ukraine besitzt keine Atomwaffen mehr, die dort zu Zeiten der Sowjetunion stationiert waren. Die strategischen und taktischen Atomraketen der Ukraine gingen bis 1996 an Russland über oder wurden zerstört - im Gegenzug für die Garantie ihrer Sicherheit und Souveränität seitens der USA, Großbritanniens und Russlands. Das Gleiche wurde 1994 für Kasachstan und Belarus unterzeichnet. Im März 2023 kündigte Russland an, im verbündeten Nachbarland Belarus taktische Atomwaffen zu stationieren.

(Bericht von: Olena Harmash, Guy Faulconbridge; geschrieben von Sabine Ehrhardt und Kerstin Dörr; Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)