Reuters

Nach Ausschreitungen im Kosovo - Auswärtiges Amt mahnt Dialog an

30.05.2023
um 12:12 Uhr

Zvecan (Reuters) - Nach den gewaltsamen Protesten im Kosovo haben Dutzende Nato-Soldaten am Dienstagmorgen die Ortschaft Zvecan gesichert.

Mehrere ethnische Serben versammelten sich vor dem Rathaus und standen den Soldaten aus den USA, Italien und Polen gegenüber. Die Lage war ruhig, wie ein Reuters-Reporter beobachten konnte. Am Sonntag war es in der Ortschaft in der Nähe der faktisch geteilten Stadt Mitrovica im Norden des Kosovo zu schweren Ausschreitungen gekommen, bei denen 30 Nato-Soldaten und 52 Serben verletzt worden waren.

Das Auswärtige Amt in Berlin verurteilte am Montagabend die Angriffe "auf das Schärfste". "Wir fordern die sofortige Einstellung jeglicher Gewalt und aller Handlungen, die zu weiteren Spannungen führen", erklärte ein Ministeriumssprecher. "Eine Deeskalation der Lage ist jetzt dringend erforderlich." Vertreter des Kosovo und der Serben müssten unverzüglich Gespräche aufnehmen "und weiter an der Umsetzung des im Februar und März erzielten Normalisierungsabkommens zu arbeiten". Auch das französische Außenministerium forderte beide Seiten zu einem verantwortlichen Handeln auf.

MIT BRANDSÄTZEN ANGEGRIFFEN

Die Proteste ethnischer Serben hatten sich nach Kommunalwahlen entzündet. Die zum Schutz von Rathäusern eingesetzten Soldaten seien am Montag aus Menschenmengen heraus mit Brandsätzen angegriffen worden, teilte die Kosovo-Schutztruppe der Nato (KFOR) mit. Rund 25 Soldaten aus Italien und Ungarn hätten Knochenbrüche und Verbrennungen erlitten. Die aus ethnischen Albanern bestehende Polizei setzte Augenzeugen zufolge Tränengas bei den Protesten ein.

Hintergrund des wieder aufgeflammten Konflikts zwischen der serbischen Minderheit und der albanischen Mehrheit im Kosovo sind die Kommunalwahlen vom 23. April. Die Serben, die im nördlichen Landesteil die Mehrheit der Bevölkerung stellen, hatten die Wahlen boykottiert. In der Folge gewannen auch in mehrheitlich serbisch bewohnten Gemeinden albanische Bürgermeisterkandidaten. Zu deren Amtsantritten am Montag versammelten sich ethnische Serben zu Demonstrationen.

Aus Protest gegen die Politik der albanischen Bevölkerungsgruppe hatten sich ethnische Serben bereits im vergangenen Jahr aus der Polizei und anderen öffentlichen Positionen zurückgezogen. Der Kosovo hatte 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Diese wird jedoch weder von Serbien noch von der serbischen Bevölkerungsgruppe im Kosovo anerkannt. Die von der Nato geführte KFOR soll seit 1999 auf Basis eines UN-Mandats für Sicherheit in dem Land sorgen.

"KEIN RAUM FÜR FASCHISTISCHE GEWALT"

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verurteilte die Zusammenstöße. "Die EU fordert die Behörden des Kosovo und die Demonstranten auf, die Situation sofort und bedingungslos zu deeskalieren", schrieb Borrell auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Die Regierung des Kosovo machte Serbiens Präsident Aleksandar Vucic für die Entwicklung verantwortlich, der dies zurückwies. Kosovos Ministerpräsident Albin Kurti schrieb am Montagabend auf Twitter: "In einer Demokratie gibt es keinen Raum für faschistische Gewalt."

Serbien versetzte seine Streitkräfte in höchste Gefechtsbereitschaft, wie Verteidigungsminister Milos Vucevic mitteilte. Vucic werde sich am Dienstag mit den Botschaftern der Vereinigten Staaten, Italiens, Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens - der sogenannten Quint-Gruppe - treffen, teilte das Büro des Präsidenten in Belgrad mit. Danach werde er getrennte Treffen mit den Botschaftern Finnlands, Russlands und Chinas abhalten.

(Bericht von Fatos Bytyci, Alvise Armellini, John Irish, Alexander Ratz; Redigiert von Christian Rüttger; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)