Reuters

Finanzministerium - Etatgespräche statt Verhandlungen

08.06.2023
um 15:07 Uhr

Berlin (Reuters) - Im Streit über den Bundeshaushalt für 2024 will Finanzminister Christian Lindner (FDP) seine Sparvorgaben nun mit Hilfe von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) durchsetzen.

Sein Ministerium bestätigte am Donnerstag, dass Lindner "gemeinsam mit dem Bundeskanzler Gespräche mit einigen Ressortkolleginnen und -kollegen zum Haushalt führt". Üblicherweise finden die sogenannten Chefgespräche zur Aufstellung des Haushalts nur zwischen Finanzminister und einzelnen Ressortchefs statt. Das Finanzministerium zeigte sich bemüht, die Bedeutung der Hinzuziehung des Kanzlers herunterzuspielen. Die Gespräche dienten allein dazu, die "haushaltärischen Vorgaben der Plafonds zu erläutern. Haushaltsverhandlungen finden nicht statt."

Eine Ministeriumssprecherin machte damit deutlich, dass Lindner keinen Spielraum für Mehrausgaben über die Finanzplanung hinaus sieht. Die einzelnen Ministerien können demnach nur im eigenen Etat umschichten: "Lediglich technische Anpassungen innerhalb der Plafonds sind bis zum Kabinettbeschluss vorgesehen." Auf ein Datum für die Kabinettsbefassung hat sich die Regierung bisher nicht festgelegt. Insidern zufolge wollen Scholz und Lindner den Entwurf am 5. Juli im Kabinett noch vor der Parlaments-Sommerpause beschließen. Ursprünglich war der 21. Juni als Termin für die Kabinettsbefassung geplant.

SPRECHERIN: MIT GESPRÄCHEN WIR KABINETTSKLAUSUR ABGEWENDET

Nach Darstellung des Finanzministeriums ist die Einschaltung des Kanzlers nicht ungewöhnlich. "Dieses Vorgehen ist kein Novum, ähnliche Prozesse hat es bereits in der Vergangenheit gegeben", sagte eine Sprecherin. "Insbesondere werden so eine Kabinettsklausur oder Haushaltsberatungen im Koalitionsausschuss wie 2010 entbehrlich." Im Juni 2010 war es der damaligen Koalition aus Union und FDP in ihrem ersten Amtsjahr erst auf einer zweitägigen Kabinettsklausur gelungen, den Weg für die Etataufstellung 2011 frei zu machen. Damals wurden strukturelle Einsparungen von rund elf Milliarden Euro für 2011 beschlossen.

Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP steckt in den schwierigsten Budget-Verhandlungen seit langem. Die Ausgaben sollen nach Jahren der Rekordverschuldung als Folge der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges mit Milliardenhilfen zur Dämpfung der Energiepreise wieder zurückgefahren werden. Die Schuldenbremse im Grundgesetz soll wieder eingehalten werden, was in diesem Jahr erstmals seit 2019 nur unter Zuhilfenahme von Sondertöpfen und etwa 40 Milliarden Euro aus einer über Jahre angesammelten Rücklage gelingt. Lindner hatte die Lücke in den Haushaltsplanungen 2024 nach der Steuerschätzung im April auf etwa 20 Milliarden Euro beziffert. Der neuen Schätzung zufolge muss der Bund bis 2027 mit gut 70 Milliarden Euro weniger auskommen als noch im Herbst 2022 angenommen. Mit dem Etat für 2024 wird auch die Finanzplanung bis 2027 aufgestellt.

(Bericht von Holger Hansen, redigiert von Kerstin Dörr Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)