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Erdogan deutet Wende in der Zinspolitik an - "Schnelle Maßnahmen"

14.06.2023
um 13:32 Uhr

Ankara (Reuters) - Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan deutet eine Wende seiner umstrittenen Geld- und Finanzpolitik an.

Sein neu ernannter Finanzminister Mehmet Simsek werde mit der Zentralbank zügig nicht näher bezeichnete Schritte unternehmen, sagte der kürzlich wiedergewählte Präsident nach Berichten heimischer Medien vom Mittwoch bei seinem Rückflug aus Aserbaidschan. "Nach den Überlegungen unseres Finanzministers haben wir akzeptiert, dass er in Absprache mit der Zentralbank schnell Maßnahmen ergreifen wird", sagte Erdogan.

Seine Äußerungen deuten darauf hin, dass er grünes Licht für Zinserhöhungen durch die Zentralbank gegeben hat. Diese hat ihren Leitzins von 19 Prozent im Jahr 2021 auf aktuell 8,5 Prozent gesenkt - und das, obwohl die Inflationsrate im vergangenen Oktober mit 85,5 Prozent ein 24-Jahres-Hoch erreicht hatte. Westliche Zentralbanken wie die amerikanische Fed und die EZB bekämpfen die Inflation dagegen mit höheren Zinsen.

Analysten führender Investmentbanken erwarten nun, dass die Zentralbank auf ihrer Sitzung des geldpolitischen Ausschusses am 22. Juni mit der Anhebung der Zinsen beginnen wird. Erdogan hat sich selbst als "Zinsfeind" bezeichnet. Nach seiner Wiederwahl hat er aber mit Simsek und der neuen, in den USA ausgebildeten Zentralbankchefin Hafize Gaye Erkan den Übergang zu einer strengeren Zinspolitik eingeläutet.

Erdogan sagte, er sei entschlossen, die Inflation von aktuell rund 40 Prozent in den einstelligen Bereich zu drücken. Er werde aber an seiner Politik der "niedrigen Inflation und niedrigen Zinsen" festhalten. Dies habe er der neuen Zentralbankchefin mitgeteilt. "So Gott will, werden weder unser Finanzminister noch unsere Zentralbankgouverneurin uns in Verlegenheit bringen", sagte Erdogan. "Ich denke, wir werden hoffentlich positive Ergebnisse erzielen."

Die bisherige Zinspolitik hat eine Währungskrise ausgelöst. Die Landeswährung Lira verlor 2021 um 44 Prozent an Wert, 2022 nochmal 30 Prozent. Das verschärft das Inflationsproblem, weil das rohstoffarme Land viele Waren aus dem Ausland bezieht und diese in Devisen bezahlen muss. Die Behörden haben daher die Reserven der Zentralbank angezapft, um die Währung zu stabilisieren. Dennoch ist die Lira in diesem Jahr bereits um etwa 20 Prozent gefallen.

Erkans geldpolitische Haltung ist unklar. Die 43-Jährige mit einer Karriere an der Wall Street und in Führungsetagen von US-Finanzunternehmen ist bislang nicht in der Notenbankwelt in Erscheinung getreten. Von 2014 bis 2021 war sie bei der First Republic Bank tätig - zuletzt als Co-Vorstandschefin des inzwischen pleite gegangenen US-Geldhauses. Erkan ist zudem Mitglied im Direktorium des US-Finanzberaters Marsh McLennan. Beim Immobilien-Investor Greystone wurde sie im Sommer 2022 zur Vorstandschefin ernannt.

(Bericht von Orhan Coskun, Ece Toksabay, Nevzat Devranoglu, Huseyin Hayatsever, Rene Wagner, redigiert von Kerstin Dörr - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)