Reuters

US-Zinsgipfel unklar - Kein klares Signal aus Jackson Hole

25.08.2023
um 17:57 Uhr

- von Ann Saphir und Howard Schneider

Jackson Hole (Reuters) - Im Kampf gegen die Inflation ist aus Sicht von Fed-Chef Jerome Powell der Zinsgipfel womöglich noch nicht erreicht.

Zugleich signalisierte er am Freitag bei der an den Finanzmärkten mit Spannung erwarteten Rede auf dem Zentralbank-Forum in Jackson Hole ein vorsichtiges Vorgehen. Die Währungshüter würden das Für und Wider einer weiteren Straffung "sorgfältig" abwägen. Trotz der Serie an Zinsschritten sei die Inflation noch zu hoch, sagte Powell: "Wir sind bereit, die Zinsen gegebenenfalls weiter anzuheben, und beabsichtigen, die Geldpolitik auf einem restriktiven Niveau zu belassen."

"Die Aussichten für die weitere geldpolitische Entwicklung in den USA bleiben in der Schwebe", so das Fazit von LBBW-Analyst Elmar Völker. Für die Fed bleibe die Lage extrem herausfordernd: "Ihr Chef vermeidet daher ? zu Recht ? jegliche klare Festlegung auf die nächsten Schritte." Im vorigen Jahr hatte Powell das vom Fed-Bezirk Kansas City ausgerichtete Symposium im US-Bundesstaat Wyoming dazu genutzt, einen langen Kampf gegen die Inflation auszurufen.

Diesmal gab er den Finanzmärkten weniger Futter. Powell machte die schwierige geldpolitische Aufgabe mit einem Bild aus der Seefahrt deutlich: "Wie so oft navigieren wir bei bewölktem Himmel nach den Sternen." Die Finanzmärkte stocherten mit Blick auf den weiteren Zinskurs auch nach dem Auftritt Powells weiter im Nebel. Allerdings wurden die Zinsfantasien nach genauerer Prüfung der Rede etwas angeregt. 

Vor dem Auftritt des Fed-Chefs waren die Chancen darauf, dass die Zinsen dieses Jahr noch steigen werden, am Geldmarkt auf 50 Prozent taxiert worden. Die Erwartungen gingen dabei in die Richtung, dass die Fed im September die Füße stillhalten und bei Bedarf im November oder Dezember nachlegen könnte - und zwar mit einem Zinsschritt nach oben von 0,25 Prozent. "Eine Pause im September ist wahrscheinlich, aber dies ist kein offizielles Ende der Zinserhöhungen", so die Einschätzung von Carsten Brzeski, Leiter der ING-Makroabteilung. Der Euro bewegte sich im Zick-Zack-Kurs und notierte am späten Nachmittag 0,29 Prozent niedriger bei 1,0779 Dollar - das niedrigste Niveau seit Mitte Juni.

"NICHTS NEUES"

Die Rede sorgte mit Blick auf die Zinsroute nicht für mehr Klarheit in den Augen der Investoren. Auch die Commerzbank-Ökonomen Bernd Weidensteiner und Christoph Balz sehen dies ähnlich: Powell habe wenig Neues zu bieten gehabt. "Ein starkes Signal für weitere Zinserhöhungen gab es nicht. Wir erwarten weiterhin, dass die Leitzinsen bereits am Höhepunkt angelangt sind."

Die Fed hat die Leitzinsen seit Anfang 2022 von nahe null auf eine Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent erhöht, um die Inflation in den Griff zu bekommen und den heiß gelaufenen Arbeitsmarkt abzukühlen. Die Arbeitslosenquote liegt allerdings auf einer historisch niedrigen Niveau von 3,5 Prozent. Überdies hat die Konjunktur die Serie an Zinserhöhungen bislang unerwartet gut weggesteckt. Und die Inflation ist auf dem Rückmarsch, auch wenn die Verbraucherpreise im Juli mit einer Teuerungsrate von 3,2 Prozent wieder leicht über dem Juni-Wert von 3,0 Prozent lagen. Experten hatten allerdings einen etwas stärkeren Anstieg auf 3,3 Prozent erwartet.

"RUHE BEWAHREN"

Der Chef des Fed-Bezirks Philadelphia, Patrick Harker, sagte Bloomberg, es könnten noch Zinserhöhungen nötig werden, falls der Rückmarsch der Inflation ins Stocken gerate. Doch sehe er derzeit keinen Bedarf für Schritte nach oben. Er sei dafür, das Zinsniveau zu halten und dann abzuwarten, wie sie auf die Wirtschaft einwirkten.

Seine Kollegin von der Fed in Boston, Susan Collins, sieht die Notenbank in einer Position, in der sie die Füße stillhalten könne. Doch müsse sie die Gesamtheit der Daten im Blick halten, sagte sie auf Yahoo Finance. Es gelte nun, nichts zu überstürzen. Die Protokolle der Sitzung vom Juli zeigen, dass sich die Währungshüter noch uneins über den weiteren Kurs sind. Die meisten sehen die Inflation als Hauptrisiko, das eine weitere Straffung erfordern könnte.

(Bericht von Howard Schneider, Ann Saphir, Michael S. Derby, geschrieben von Reinhard Becker, Mitarbeit Frank Siebelt, Reuters Marktteam, redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)