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Lahme Konjunktur treibt Arbeitslosenzahl hoch - Keine Erholung in Sicht

31.08.2023
um 13:42 Uhr

Berlin (Reuters) - Inmitten der Konjunkturflaute steigt die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland im August stärker als in diesem Monat üblich.

"Die Sommerpause und die schwache Konjunktur hinterlassen ihre Spuren auf dem Arbeitsmarkt", sagte die Chefin der Bundesagentur für Arbeit (BA), Andrea Nahles, am Donnerstag in Nürnberg. Die BA verzeichnete im August 2,696 Millionen Arbeitslose. Das seien 79.000 mehr als im Juli und 148.000 mehr als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote stieg um 0,1 Punkte auf 5,8 Prozent. Dennoch befinde sich der Arbeitsmarkt weiterhin in einer "soliden Grundverfassung", erläuterte Nahles.

Eine höhere Erwerbslosigkeit ist im Monat August üblich, bevor mit dem Ende der Sommerferien und dem Beginn des neuen Ausbildungsjahres normalerweise etwas mehr Schwung in den Arbeitsmarkt kommt. "Der Anstieg fällt dieses Jahr aber relativ groß aus", so Nahles. Unter Herausrechnung der jahreszeitlichen Schwankungen stieg die Erwerbslosenzahl im August um 18.000. Von Reuters befragte Experten hatten lediglich mit einer Zunahme um 10.000 gerechnet. Eine kurzfristige Erholung am Jobmarkt ist laut Nahles nicht in Sicht: "Die Antwortet lautet nein", betonte die BA-Chefin. Es sei hingegen zu erwarten, dass sich die derzeit zu beobachtende Entwicklung bis zum Jahresende fortsetze.

Hintergrund der Eintrübung am Arbeitsmarkt ist die schwache Konjunktur: Die deutsche Wirtschaft ist zuletzt drei Quartale in Folge nicht gewachsen. Steigende Zinsen, die hohe Inflation und die maue Weltkonjunktur mit der ins Schlingern geratenen Wirtschaftsmacht China machen ihr zu schaffen. Hinzu kommen die Folgewirkungen des Ukraine-Krieges, vor dem rund eine Million Menschen aus dem Land nach Deutschland geflohen sind.

Nach wie vor seien die Arbeitgeber vorsichtig, was die Suche nach neuem Personal angehe, sagte Nahles. Diese Sicht bestätigt auch das arbeitgebernahe Institut IW. Zwar seien keine größeren Entlassungen zu befürchten, aber Arbeitslose hätten zunehmend Schwierigkeiten, eine neue Beschäftigung zu finden. Zusätzlich würden ukrainische Geflüchtete seit Sommer 2022 als arbeitslos registriert.

QUALIFIKATION GEFRAGT

Im August waren 771.000 Arbeitsstellen bei der BA gemeldet, 116.000 weniger als vor einem Jahr. Die Unterbeschäftigung, die zusätzlich zur Arbeitslosigkeit auch Veränderungen in der Arbeitsmarktpolitik und kurzfristiger Arbeitsunfähigkeit berücksichtigt, ist saisonbereinigt gegenüber dem Vormonat um 10.000 gestiegen. Sie lag im August bei 3,485 Millionen. Das waren 207.000 mehr als vor einem Jahr. Ohne die Berücksichtigung ukrainischer Geflüchteter hätte die Unterbeschäftigung nur um 94.000 über dem Vorjahreswert gelegen.

Nach Einschätzung von KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib besteht am Arbeitsmarkt Handlungsbedarf. Zur weiteren Senkung der Arbeitslosigkeit sei vor allem eines erforderlich: Qualifizierung. Bundesweit stünden 1,7 Millionen offenen Stellen rund vier Millionen Menschen gegenüber, die Grundsicherung für Arbeitsuchende erhielten: "Rein zahlenmäßig haben wir damit in Deutschland sogar noch einen Arbeitskräfteüberschuss. Den Arbeitsuchenden fehlt jedoch oft die nötige Qualifikation."

(Bericht von Reinhard Becker, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)