Berlin (Reuters) - Die Bundesländer, SPD und Grüne machen Druck für die Einführung eines subventionierten Industriestrompreises für energieintensive Firmen.
Die 16 Länderchefs sind dazu am Mittwoch nach Brüssel gereist, um mit der EU-Kommission zu sprechen. "Hier ist Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin in der Pflicht", sagte die SPD-Europapolitikerin Katarina Barley der Nachrichtenagentur Reuters. Die Grünen-Fraktions-Co-Vorsitzende Katharina Dröge forderte ebenfalls die Einführung, um energieintensive Betriebe in Deutschland zu halten.
Wegen des hohen Strompreises müssten sonst viele Unternehmen in Deutschland "über kurz oder lang ihre Tore schließen", warnte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil am Mittwoch im ZDF. Weil räumte ein, dass die Kosten sehr hoch seien - sie entstünden allerdings auch bei einem Niedergang der wegen hoher Strompreise nicht mehr wettbewerbsfähigen Grundstoff-Industrie. Dies würde zu gesellschaftlichen Verwerfungen führen.
Kanzler Olaf Scholz ging in seiner Bundestagsrede am Mittwoch nicht auf den Industriestrompreis ein, den er kritisch sieht. Er sagte lediglich, dass der Ausbau der Ökostromproduktion der "sicherste, schnellste und nachhaltigste Weg zu niedrigeren Strompreisen" sei. In der Ampel-Regierung ist auch die FDP gegen einen Industriestrompreis. Weil betonte, dass Scholz aber bewusst keine abschließende Entscheidung gefällt, sondern sich nur gegen "schädliche Dauersubventionen" ausgesprochen habe.
Kritiker des Industriestrompreises verweisen auf Skepsis in der EU-Kommission, die diese Subvention genehmigen müsste. Es sei aber auch ein europäisches Thema, wenn der Kollaps vieler Unternehmen drohe, sagte Niedersachsens Ministerpräsident. Ähnlich argumentierte Barley: "Die EU braucht eine Industrie-Strategie, damit die europäische Wirtschaft weltweit wettbewerbsfähig bleiben kann", sagte sie. "Teil davon muss in der jetzigen Lage ein zeitlich begrenzter Industriestrompreis sein." Von der Leyen sollte sich offen für eine Diskussion zeigen "und sich nicht hinter dem Beihilferecht verstecken". Die Energiepreise seien durch den russischen Überfall auf die Ukraine in die Höhe geschossen. "Dem müssen wir entschieden entgegentreten und die deutsche Industrie als eine Herzkammer der europäischen Wirtschaft zeitweise unterstützen", sagte die SPD-Politikerin.
Weil schlug vor, das Geld für eine Absenkung des Strompreises für einige Unternehmen etwa aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds oder dem Klima- und Transformationsfonds zu nehmen. Bisher lehnt Finanzminister Christian Lindner (FDP) dies ab. Alle Bundesländer unterstützen die Position Weils - der Industriestrompreis müsste allerdings vom Bund bezahlt werden. Niedersachsens Ministerpräsident sprach sich zugleich gegen einen subventionierten Strompreis für Autokonzerne wie VW aus, die nicht per se energieintensive Unternehmen seien.
(Bericht von Andreas Rinke, redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)