Reuters

EU-Staaten einigen sich auf Migrations-Krisenmechanismus

04.10.2023
um 16:47 Uhr

Brüssel/Berlin (Reuters) - Die EU-Staaten haben sich mehrheitlich auf einen Krisenmechanismus zur Eindämmung illegaler Migration nach Europa verständigt.

Damit ist der Weg frei für weitere Verhandlungen der Mitgliedstaaten mit dem Europäischen Parlament (EP) über eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems GEAS. Das Paket, das etwa einen strengeren Grenzschutz und einen Verteilmechanismus für Flüchtlinge vorsieht, soll nach Angaben der Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode des EP abgeschlossen werden. Kanzler Olaf Scholz sprach von einem "historischen Wendepunkt". "Die Reform wird irreguläre Migration in Europa wirksam begrenzen und Staaten wie Deutschland dauerhaft entlasten", schrieb er auf der Plattform X.

Mit dem Krisenmechanismus sollen von Migration besonders betroffene EU-Staaten wie etwa Italien vorübergehend mehr Menschen in die sogenannten Grenzverfahren schicken können als sonst vorgesehen. Andererseits sollen die betroffenen Länder die Menschen auch ohne größere Hürden weiter in andere EU-Staaten leiten können. Der Krisenmechanismus ist damit Teil des GEAS, das aus vorsieht, dass Menschen mit geringen Bleibechancen direkt an der EU-Außengrenze einem beschleunigten Asylverfahren unterzogen und bei Ablehnung auch direkt abgewiesen werden.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Außenministerin Annalena Baerbock begrüßten ebenfalls die Einigung. Die Grünen-Politikerin machte aber deutlich, dass sie nicht gänzlich überzeugt ist. Scholz hatte vergangene Woche gegen ihren Willen entschieden, dass Deutschland in Brüssel der Krisenverordnung zustimmen muss. "Angesichts dessen, dass in einem Krisenfall bei den Grenzverfahren weiter jedes Extrem - von der vollen Aussetzung bis zur vollen Anwendung - zur Verfügung stünde, haben wir in Brüssel deutlich zu Protokoll gegeben, dass uns das nicht überzeugt", teilte Baerbock am Mittwoch mit. Die Bundesinnenministerin betonte dagegen, dass die Krisenverordnung nur durch einen Beschluss mit qualifizierter Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten aktiviert werden könne und nicht etwa durch einzelne Mitgliedstaaten.

STREIT ÜBER SEENOTRETTER GEHT WEITER

Unterdessen geht der Streit über die umstrittene deutsche staatliche Förderung für private Seenotretter im Mittelmeer weiter. "Da muss das Ziel sein, dass nicht private Organisationen unterstützt werden, sondern das Ziel muss ja sein, dass das die Europäische Union im Notfall macht", sagte der Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Dürr, am in den TV-Sendern RTL und ntv. Das "perfide System" müsse unterbrochen werden, dass "Menschen Geld dafür zahlen, um unter Umständen in Seenot zu kommen", fügte Dürr hinzu.

Das Auswärtige Amt zahlt privaten Seenotrettungsorganisationen bis zu zwei Millionen Euro im Jahr. Eine Sprecherin betonte am Mittwoch, dass man damit lediglich einen Auftrag des Bundestages umsetze.

Die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni hatte sich in einem Brief an Scholz über diese staatliche Hilfe beschwert, weil die Schiffe der Nichtregierungsorganisationen im Mittelmeer gerettete Migranten und Flüchtlinge dann in Italien an Land bringen. Auch Österreich lehnt die durch Deutschland mitfinanzierten privaten Seenotrettungsmaßnahmen im Mittelmeer ab. Kritiker werfen den NGOs eine indirekte Zusammenarbeit mit Schleusern vor, die bewusst darauf setzten, dass die Flüchtlinge aus oft seeuntüchtigen Booten gerettet und dann in die EU gebracht würden. Das Auswärtige Amt verweist dagegen auf die humanitäre Aufgabe der Seenotrettung.

(Bericht von Andreas Rinke, Bart Meijer, Marine Strauss, Alexander Ratz, redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)