Reuters

Israel fordert Evakuierung von Gaza-Stadt

13.10.2023
um 11:42 Uhr

- von Henriette Chacar und Michelle Nichols

Jerusalem/New York/Tel Aviv (Reuters) - Das israelische Militär fordert vor einer möglicherweise bevorstehenden Bodenoffensive zur Evakuierung von Gaza-Stadt auf.

Die Zivilbevölkerung solle sich binnen 24 Stunden in den Süden des Gazastreifens begeben, erklärte das Militär am Freitagmorgen. "Bewohner von Gaza-Stadt, verlassen Sie die Stadt zu ihrer eigenen Sicherheit und der ihrer Familien nach Süden und entfernen sie sich von Hamas-Terroristen, die sie als menschliche Schutzschilder benutzen." Betroffen wären mehr als eine Millionen Menschen. Das schmale, palästinensische Küstengebiet ist mit rund 2,3 Millionen Einwohnern dicht besiedelt.

Laut Hamas wurden bei israelischen Luftangriffen auf Gaza 13 Geiseln aus Israel getötet. Unabhängig überprüfen ließ sich dies nicht. Das Schicksal der rund 150 von der radikalislamischen Hamas aus Israel nach Gaza verschleppten Geiseln steht auch im Mittelpunkt eines Besuchs von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in Israel am Freitag. Am Vormittag traf Baerbock in Tel Aviv ein. Unter den Geiseln befinden sich auch deutsche Staatsbürger. Geplant ist ein Treffen der Ministerin mit deren Angehörigen. Zudem will Baerbock mit dem israelischen Außenminister Eli Cohen sprechen.

Das israelische Militär teilte weiter mit, die Armee werde in den kommenden Tagen in Gaza-Stadt in beträchtlichem Maße vorgehen. Die Mitglieder der Hamas versteckten sich in der Stadt in Tunneln unter und in Gebäuden, die von Zivilisten bewohnt würden. Die Bewohner könnten erst zurückkehren, wenn dies mitgeteilt werde. Der militärische Arm der Hamas, die Kassam-Brigaden, teilten mit, sie hätten 150 Raketen auf die israelische Stadt Aschkelon nördlich des Gazastreifens abgefeuert, "als Antwort auf die Vertreibung und den Beschuss von Zivilisten".

"VERHEERENDE HUMANITÄRE AUSWIRKUNGEN"

Die Vereinten Nationen, die vorab von Israel informiert worden waren, halten eine Evakuierung von Gaza-Stadt für "unmöglich, ohne dass es verheerende humanitäre Auswirkungen" gebe, wie UN-Sprecher Stephane Dujarric sagte. Eine bereits bestehende Tragödie könne zu einer katastrophalen Situation werden. Das Palästinenser-Hilfswerk der Vereinten Nationen (UNRWA) schrieb auf X, es verlege seine Einsatzzentrale und internationalen Mitarbeiter in den Süden des Gazastreifens. Es rief die israelischen Behörden dazu auf, alle Zivilisten in UNRWA-Unterkünften, einschließlich Schulen, zu schützen.

Ein Vertreter der radikalislamischen Hamas bezeichnete den Aufruf Israels als "Fake-Propaganda", die Verwirrung unter den Bürgern stiften solle. Er forderte die Einwohner auf, nicht darauf hereinzufallen. Nach den Angriffen der Hamas am vergangenen Wochenende mit mehr als 1300 israelischen Todesopfern - zumeist Zivilisten - übt Israel Vergeltung und will die Hamas vernichten. Seitdem bombardiert das Land Ziele im abgeriegelten Gazastreifen. Mehr als 1500 Palästinenser sind dabei nach Angaben der Behörden in dem dicht besiedelten Küstenstreifen getötet worden.

Eine Bodenoffensive Israels würde mit hohen Risken einhergehen, vor allem was das Schicksal der Geiseln in Gaza betrifft. In der Nacht zum Freitag griff das israelische Militär eigenen Angaben zufolge 750 militärische Ziele im nördlichen Teil des palästinensischen Küstengebiets an. Darunter seien Tunnel der Hamas gewesen, militärische Einrichtungen, Wohnhäuser hochrangiger Hamas-Mitglieder und Waffenlager.

HUNDERTTAUSENDE BEREITS AUF DER FLUCHT

Durch die Abriegelung des Gazastreifens durch Israel spitzt sich dort die humanitäre Lage zu. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind seit Beginn der israelischen Vergeltungsschläge bereits mehr als 400.000 Menschen aus ihren Wohnungen im Gazastreifen geflohen. 23 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen seien getötet worden, teilte das Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der UN (OCHA) mit.

(Mitarbeit von Humeyra Pamukv, Alexander Ratz; Bearbeitet von Myria Mildenberger und Alexander Ratz; redigiert von Kerstin Dörr; Bei Rückfragen wenden Sie sich sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)