Reuters

Länder pochen auf mehr Geld vom Bund für Geflüchtete

13.10.2023
um 11:57 Uhr

Berlin (Reuters) - Die Bundesländer wollen nach der zweitägigen Ministerpräsidentenkonferenz vom Bund eine deutlich höhere Summe für die Aufnahme und Betreuung von Geflüchteten fordern.

Man habe sich in den Beratungen zwischen SPD- und Unions-geführten Landesregierungen angenähert, hieß es am Freitag aus Teilnehmerkreisen. Nachdem Kanzler Olaf Scholz den Weg für eine Rückkehr zur Pro-Kopf-Zahlung des Bundes frei gemacht habe, gehe es nun um die genaue Höhe. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte einen Betrag von 10.000 Euro pro Flüchtling gefordert, das ist doppelt so viele wie vom Bund angeboten. Scholz (SPD) wird am Abend Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) als Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) sowie dessen Stellvertreter Weil und CDU-Chef Friedrich Merz im Kanzleramt empfangen.

In Frankfurt wird zwischen den 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten beim Migrationsthema aber nicht nur um die Frage des Geldes gerungen. Die unionsgeführten Länder fordern etwa auch eine bundesweite Bezahlkarte für Geflüchtete. Zudem schlagen sie einen Automatismus vor, dass Länder als sichere Herkunftsstaaten anerkannt werden, wenn weniger als fünf Prozent der Asylbewerber aus diesen Ländern in Deutschland eine Anerkennung erhalten. Im Gespräch sind zudem die Einrichtung von Aufnahmezentren des Bundes etwa an Flughäfen und eine Überprüfung der Leistungen für Asylbewerber im europäischen Vergleich.

HABECK - "VIELE KOMMUNEN ÜBERFORDERT"

Einigkeit besteht zwischen Bund und Ländern, dass die Zahl der ankommenden Flüchtlinge und Migranten zu hoch ist. Kanzler Scholz hatte von mehr als 300.000 Asylbewerbern in diesem Jahr gesprochen. "Es geht darum, Druck aus der Situation zu nehmen. Viele Kommunen, viele Menschen, die den Flüchtlingen helfen, sind an der Grenze zur Überforderung oder drüber", sagte auch Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) am Freitag in der ARD. Laut ARD-Deutschlandtrend bezeichnen 44 Prozent der Befragten "Zuwanderung und Flucht" derzeit als das mit Abstand wichtigste Thema in Deutschland.

Habeck sagte, er rechne mit Zustimmung der Grünen-Bundestagsfraktion zu einem von der Regierung vorgelegten Migrationspaket, das einerseits Abschiebungen erleichtern soll, andererseits aber Menschen, die länger in Deutschland bleiben, schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht. Habeck betonte, dass dies kein neuer Anreiz für Menschen sei, nach Deutschland zu kommen, weil die erleichterte Arbeitsaufnahme nur für diejenigen gelte, die vor Dezember 2022 nach Deutschland kamen.

LINDNER - "ANREIZE IM SOZIALSYSTEM REDUZIEREN"

Die Fronten in der Migrationsdebatte verlaufen mal zwischen Bund und Ländern wie bei der Finanzierung, mal zwischen den 16 Bundesländern, die von völlig unterschiedlichen Koalitionen regiert werden. Die Bundesregierung hat trotz der steigenden Flüchtlingszahlen mit der Überweisung von mehr Geld bisher gezögert. Zum einen verweist sie darauf, dass der Bund bereits die meisten Kosten für eine Million ukrainische Kriegsflüchtlinge übernimmt. Zum anderen sieht Finanzminister Christian Lindner (FDP) wenig Spielraum im Haushalt 2024, bei dem die Schuldenbremse eingehalten werden muss.

Es gehe nicht zuerst darum, Migration zu finanzieren, sondern illegale Zuwanderung zu reduzieren, sagte der FDP-Chef der "Rheinischen Post". "Wir müssen uns darauf konzentrieren, die Anreize unseres Sozialsystems zu reduzieren." Bei der Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds in Marrakesch sagte Lindner zudem, ukrainische Kriegsflüchtlinge müssten schneller in Arbeit gebracht werden. In Dänemark gelinge dies etwa wesentlich besser. Dazu müsse auch die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse erleichtert werden.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zeigte sich erschüttert über einen schweren Verkehrsunfall bei einer mutmaßlichen Schleusung an der deutsch-österreichischen Grenze in Bayern, bei dem mehrere Menschen ums Leben kamen. "Wir müssen das grausame Geschäft der Schleuserbanden zerschlagen, die mit der Not von Menschen maximalen Profit machen und sie auf solch lebensbedrohliche Weise über Grenzen schmuggeln", teilte sie mit.

(Bericht von Andreas Rinke, Christian Krämer; redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)