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Firmenpleiten in Deutschland ziehen an - Aber "keine Insolvenzwelle"

13.10.2023
um 12:17 Uhr

Berlin (Reuters) - Wegen der Konjunkturflaute und steigender Kreditzinsen kommt es in Deutschland zu immer mehr Firmenpleiten.

Die Zahl stieg im Juli zwar deutlich um 37,4 Prozent binnen Jahresfrist auf 1586, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Dies liege aber noch unter dem Wert vom Juli 2019 und damit vor der Corona-Krise, erklärte der Berufsverband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID), der "keine Insolvenzwelle" sieht. Viele Unternehmenskrisen hätten langfristige Ursachen.

Bezogen auf 10.000 Betriebe gab es insgesamt 4,7 Unternehmensinsolvenzen. Die meisten Pleiten entfielen auf die Bereiche Verkehr und Lagerei sowie die sonstigen wirtschaftlichen Dienstleister, wozu auch Zeitarbeitsfirmen gehören. Hier kam es zu jeweils 8,0 Fällen, gefolgt vom Baugewerbe mit 7,1 Fällen. Die geringste Insolvenzhäufigkeit mit 0,6 Pleiten je 10.000 Firmen gab es in der Energieversorgung.

Besonders betroffen seien auch der Krankenhaus- und Pflegesektor sowie der Einzelhandel, erklärte der VID-Vorsitzende Christoph Niering. "Diese Entwicklung hat nichts mehr mit dem Wegfall der staatlichen Stützungsmaßnahmen der Corona-Jahre oder den angestiegenen Energiepreisen zu tun." Diese Probleme wirkten sich nur noch wenig auf das aktuelle Insolvenzgeschehen aus. "Als Insolvenzauslöser treten jetzt wieder langfristig angelegte Ursachen wie die existenzgefährdenden Veränderungen von etablierten Geschäftsmodellen in den Vordergrund."

Die Forderungen der Gläubiger summierten sich im Juli auf rund 3,1 Milliarden Euro - das ist deutlich mehr als ein Jahr zuvor mit 0,8 Milliarden Euro. Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen kletterte um 6,9 Prozent auf 5668.

MEHR INSOLVENZEN ENDE 2023 - ABER EHER NORMALISIERUNG

Das Wirtschaftsforschungsinstitut IWH aus Halle hatte jüngst betont, die Zahl der Firmenpleiten dürfte Ende 2023 spürbar anziehen. Es gebe Signale für "einen deutlichen Anstieg der Insolvenzzahlen im vierten Quartal ? vor allem im Baugewerbe sowie im Grundstücks- und Wohnungswesen", erklärten die Ökonomen und Regierungsberater zu ihrem monatlichen Insolvenztrend. Gerade diesen Bereichen machen die hohe Inflation und gestiegenen Zinsen zu schaffen.

Darauf deutet auch die Entwicklung der beantragten Regelinsolvenzen im September hin: Deren Zahl stieg um 19,5 Prozent zum Vorjahresmonat und damit laut Statistikamt noch stärker als im August mit 13,8 Prozent. Bei diesen Ergebnissen ist zu berücksichtigen, dass die Verfahren erst nach der ersten Entscheidung des Insolvenzgerichts in die Statistik einfließen. Der tatsächliche Zeitpunkt des Insolvenzantrags liegt in vielen Fällen annähernd drei Monate davor.

Auch die Wirtschaftsauskunftei Creditreform erklärte vor kurzem, sie rechne bis zum ersten Halbjahr 2024 mit steigenden Insolvenzen. Es sei keine dramatische Entwicklung zu erwarten, eher eine Normalisierung. Denn staatlichen Hilfen in der Corona-Krise hatten zu einem starken Rückgang der Insolvenzen geführt.

(Bericht von Klaus Lauer; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)