Reuters

Regierende PiS in Polen vorne - aber Regierungswechsel möglich

16.10.2023
um 07:57 Uhr

Warschau/Berlin (Reuters) - In Polen liegt die national-konservative Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit) von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki bei der mit Spannung erwarteten Parlamentswahl vorne.

Trotzdem könnte es zu einem Regierungswechsel kommen. Eine Schlüsselrolle dürfte nun Oppositionsführer Donald Tusk einnehmen. In ersten Prognosen kam die PiS auf 36,8 Prozent der Stimmen. Sie kann damit mit 200 der 460 Sitze im Parlament rechnen, hat also keine Mehrheit. Das könnte der Opposition die Möglichkeit geben, eine Regierung zu schmieden. Tusk sagte, die Demokratie habe gewonnen, und die PiS werde aus dem Amt entfernt. "Ich war in meinem Leben noch nie so glücklich."

Rund 30 Millionen Wahlberechtigte waren am Sonntag aufgerufen, ein neues Parlament zu bestimmen. Wegen des Krieges im Nachbarland Ukraine und steigender Flüchtlingszahlen galt der Urnengang als Richtungswahl. Polen kommt bei der Unterstützung der Ukraine eine wichtige Rolle zu. Der Wahlkampf war geprägt vom Thema Migration und Attacken auf die EU und Deutschland.

Die Parteien haben sich zu Wahlbündnissen zusammengeschlossen. Die PiS mit ihrem Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski führt die Vereinigte Rechte an, zu der auch die Republikaner und Souveränes Polen gehören. Das liberal-konservative Wahlbündnis Bürgerkoalition (KO) von Tusk kommt laut Prognose auf 31,6 Prozent der Stimmen und kann auf 163 Sitze hoffen. Der Dritte Weg - ein Bündnis der Mitte - kommt auf 13 Prozent der Stimmen. Die Neue Linke kann mit 8,6 Prozent der Stimmen rechnen. Beide könnten eine Koalition mit KO eingehen. Zusammen könnten sie auf 248 Sitze hoffen und hätten damit eine Mehrheit.

Kaczynski sagte in Warschau, es sei unklar, ob es für eine weitere Amtszeit der PiS reiche. "Wir müssen hoffen." Ministerpräsident Morawiecki erklärte seine Partei dagegen zum Sieger der Wahl. Seine Partei werde versuchen, eine stabile Regierung zu bilden, sollte sie den Auftrag dazu vom Präsidenten bekommen, sagte er dem Sender TVP Info.

Der frühere EU-Ratspräsident Tusk hat versprochen, das Verhältnis zur EU wieder zu verbessern. Es ist seit Jahren stark belastet durch Streit zur Justizreform, zu Rechten von Homosexuellen sowie wegen Migrationsfragen. Kritiker werfen der PiS vor, seit der Amtsübernahme 2015 die Unabhängigkeit von Gerichten und Medien untergraben zu haben. Deswegen hat die EU für Polen bestimmte Mittel im Umfang von rund 110 Milliarden Euro eingefroren.

Die PiS hat die Reformen immer wieder verteidigt. Sie sollen das Land und die Wirtschaft fairer machen und die letzten Überreste des Kommunismus beseitigen. Die Partei galt wegen großzügiger Sozialprogramme als erfolgreich und hat davor gewarnt, dass andere Parteien diese stoppen könnten.

In Warschau gab es nach Angaben der Polizei in drei Wahllokalen Bombendrohungen. Rund 200 Menschen dort seien evakuiert worden, Bombenspezialisten seien vor Ort.

(Bericht von Anna Wlodarczak-Semczuk, Anna Koper und Sabine Ehrhardt, geschrieben von Christian Krämer; Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)