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Rekord-Stornierungen im Wohnungsbau - Erholung Anfang 2024 ?

16.10.2023
um 11:42 Uhr

Berlin (Reuters) - Stornierungswelle, Auftragsmangel, Stimmungstief: Der Wohnungsbau entwickelt sich immer mehr zum Problembereich der deutschen Wirtschaft.

Im September waren 21,4 Prozent der Firmen von stornierten Projekten im Wohnungsbau betroffen - so viele noch nie seit Beginn der Umfrage 2012, wie das Münchner Ifo-Institut am Montag mitteilte. "Viele Projekte sind wegen der höheren Zinsen und gestiegenen Baukosten nicht mehr wirtschaftlich umsetzbar", erklärte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. "Die Wohnungen, die heute nicht begonnen werden, werden uns in zwei Jahren auf dem Mietmarkt fehlen."

Auch die Klagen über einen Auftragsmangel in der Branche werden immer lauter: Derzeit zeigen sich 46,6 Prozent der Firmen davon betroffen, nach 44,2 Prozent im August. Das ist der höchste Wert seit März 2009, als die globale Finanzkrise durchschlug. "Das ist eine Verdreifachung innerhalb der letzten zwölf Monate", sagte Wohlrabe. "Die Entwicklung ist dramatisch."

Die schwächelnde Immobilienbranche dürfte sich einer Studie zufolge ab Anfang 2024 erholen. Derzeit befinde sich der Markt in einer Konsolidierungsphase, so der Deutsche Anlage-Immobilien Verbund (DAVE). Das Verkaufsvolumen für Wohn- und Gewerbeobjekte sei zwar auf dem Stand von 2012. Hier habe es im ersten Halbjahr Verkäufe von 14,9 Milliarden Euro gegeben und so ein Minus von 53 Prozent binnen Jahresfrist. "Es ist aber auch festzustellen, dass der Markt nach der Schockstarre infolge der Multikrisen mit Ukrainekrieg, Zinswende, wirtschaftlicher Stagnation, hoher Inflation und gestiegenen Baukosten zwischenzeitlich in eine Findungsphase eingetreten ist", erklärte DAVE-Geschäftsführer Guido Stracke. Banken, Investoren und Objektverkäufer stellten sich auf neue Realitäten ein. Die Inflation habe sich verlangsamt und manche Kosten - etwa für Baumaterialien - seien auf Normalniveau gesunken. "Diese Entwicklungen tragen dazu bei, dass Immobilieninvestitionen wieder planbarer sind."

IMPULSE NACH WOHNBAUGIPFEL?

Die Ifo-Umfrage wurde noch vor dem Wohnungsbaugipfel Ende September erhoben, bei dem Bundesregierung und Vertreter der Baubranche zusammenkamen. Dabei wurden 14 Maßnahmen beschlossen, darunter eine großzügigere Ausgestaltung der Regeln für Abschreibungen. "Es bleibt abzuwarten, ob die angekündigten Maßnahmen den Wohnungsbau beleben können", sagte Wohlrabe. "Die Rahmenbedingungen für den Neubau sind jedenfalls mehr als schwierig." Entsprechend schlecht ist die Stimmung auch in den Unternehmen: Das Ifo-Geschäftsklima im Wohnungsbau notiere mittlerweile auf dem tiefsten Stand seit Beginn der Erhebung 1991, sagte Wohlrabe. Das Barometer liegt aktuell bei minus 54,8 Punkten. "Kurzfristig ist keine Besserung in Sicht und es bleibt abzuwarten, ob die Talsohle bereits durchschritten ist" so die Ifo-Forscher. Mittelfristig werde vor allem entscheidend sein, wie sich die Leitzinsen entwickeln.

Die kriselnde Baubranche belastet mittlerweile auch die Konjunktur. Die Bauproduktion und damit auch die Bauinvestitionen dürften in den kommenden Monaten deutlich zurückgehen, erwartet Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen. Ein Rückgang von insgesamt zehn Prozent erscheine dabei realistisch. "Damit dürfte die Krise am Bau dazu beitragen, dass die Wirtschaftsleistung in Deutschland im Winterhalbjahr weiter schrumpfen wird", sagte Solveen.

(Bericht von Rene Wagner und Klaus Lauer, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)