Reuters

Olearius im Cum-Ex-Prozess - "Ich weiß, dass ich unschuldig bin"

16.10.2023
um 13:37 Uhr

Bonn (Reuters) - Im Cum-Ex-Steuerprozess vor dem Bonner Landgericht hat der ehemalige Chef der Hamburger Privatbank Warburg, Christian Olearius, die Vorwürfe gegen ihn zurückgewiesen und harsche Kritik an den Ermittlungsbehörden geübt.

"Ich habe weder wissentlich noch willentlich an strafbaren Cum-Ex-Geschäften mitgewirkt", sagte er am Montag in Bonn: "Eine Schädigung des Staates lag mir fern", betonte Olearius. "Ich weiß, dass ich unschuldig bin." Er sehe sich als Opfer einer "Vorverurteilung". Mit Blick auf umstrittene Treffen mit dem damaligen Ersten Bürgermeister Hamburgs, Olaf Scholz, sagte Olearius, Vorwürfe, er habe Scholz zu einer Verletzung seiner Amtspflichten überreden wollen, seien "abenteuerlich".

Im Verantwortungsbereich der Warburg Bank habe es "kein zweimaliges Kassieren" von Kapitalertragssteuern gegeben, von Leerverkäufen - einem zentralen Element in den Cum-Ex-Transaktionen - habe er nichts gewußt, sagte Olearius weiter. Er selbst sei davon ausgegangen, dass es sich bei den Transaktionen um sogennantes "Dividendenstripping" gehandelt habe. "Diese Bankdienstleistung (..) war und ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wie des Europäischen Gerichtshofs erlaubt und zulässig", fügte der 81jährige hinzu. Diese Transaktionen sind vor allem für ausländischen Investoren vorteilhaft. Zentrale Punkte der Anklage seien zudem von der Staatsanwaltschaft nicht ausreisend bewiesen worden, erklärte Olerius Anwälte.

Die Staatsanwaltschaft wirft Olearius schwere Steuerhinterziehung in 14 Fällen in den Jahren 2006 bis 2020 vor. Der Schaden für den Fiskus liege bei knapp 280 Millionen Euro. Olearius hatte sich der Staatsanwaltschaft zufolge detailliert mit den Strategien des Bankhauses Warburg befasst und auch Cum-Ex-Geschäfte abgesegnet. Der Bankier hat die Vorwürfe immer wieder bestritten. Seine Verteidiger hatten in dem Prozess ebenfalls massive Kritik an den Anklagebehörden geübt. "Die Staatsanwaltschaft Köln hat in beispiellosem Maß an der öffentlichen Vorverurteilung des Angeklagten Olearius teilgenommen, diese zu verantworten und teilweise aktiv betrieben", hatte Olearius Anwalt Peter Gauweiler gesagt.

Bei den Cum-Ex-Geschäften war dem deutschen Staat ein Schaden in Milliardenhöhe entstanden. Anleger ließen sich dabei eine einmal gezahlte Kapitalertragssteuer auf Aktiendividenden mit Hilfe von Banken mehrfach erstatten. Dazu verschoben sie um den Stichtag der Dividendenzahlung herum untereinander Aktien mit - also cum - und ohne - ex - Dividendenanspruch. Die Fälle hatten weite Kreise gezogen, bei Banken und Anwaltskanzleien gibt es deswegen immer wieder Durchsuchungen. Allein die Staatsanwaltschaft Köln führt aktuell noch rund 120 Ermittlungsverfahren im "Cum-Ex-Bereich", die sich ihren Angaben zufolge gegen rund 1700 Beschuldigte richten.

Der Fall Warburg spielt auch eine Rolle in der Bundespolitik. Die Union hatte erfolglos die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Bundestag gefordert. Bundeskanzler Olaf Scholz wird vorgeworfen, in seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister Einfluss auf die Cum-Ex-Steueraffäre genommen zu haben. Scholz hat dies immer wieder zurückgewiesen. Die Steuerbehörden der Hansestadt hatten in dem Fall auf eine Forderung von 47 Millionen Euro an die Warburg Bank verzichtet. Scholz hatte damals - in den Jahren 2016 und 2017 - mehrfach Kontakt mit Olearius.

"Bei der Durchstecherei der Staatsanwaltschaft zur Presse hin und der medialen Vorverurteilung war es doch ein berechtigtes Anliegen, Bürgermeister Scholz als Oberhaupt eines überschaubaren Gemeinwesens zu unterrichten und unsere Sicht dazustellen", sagte Olearius. Ihm die "Unverfrorenheit" zuzutrauen, den damaligen Bürgermeister "zu einer Amtspflichtverletzung zu überreden, ist abenteuerlich". "Unvollkommen sind meine Tagebucheintragungen vom letzten Treffen mit Herrn Scholz wiedergegeben", beklagte Olearius weiter.

(Bericht von Matthias Inverardi, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bittean unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)