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Deutsche Wirtschaft hofft auf EU-freundlichere Regierung in Polen

16.10.2023
um 15:47 Uhr

Berlin (Reuters) - Der Wahlausgang in Polen weckt bei der deutschen Wirtschaft die Hoffnung auf eine europafreundlichere Regierung in Warschau und damit auf bessere Geschäfte.

"Wir wünschen uns jetzt vor allem eine schnelle Lösung der polnischen Konflikte mit der EU", sagte die Vorsitzende des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Cathrina Claas-Mühlhäuser, am Montag. "Die Freigabe eingefrorener EU-Mittel wird die Konjunktur in Polen ankurbeln und kommt damit auch den vielen deutschen Unternehmen in Polen und ihren Beschäftigten zugute." Angesichts der Wachstumsschwäche in Europa sollten Deutschland und Polen zudem ihre Pläne für eine industrielle Zusammenarbeit in Schlüsseltechnologien weiter intensivieren. "Davon profitieren beide Länder und Europa insgesamt." Polen ist der fünftgrößte Handelspartner von Deutschland, vor zum Beispiel Italien oder Großbritannien.

Ähnlich schätzt das die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) ein. "Der russische Angriffskrieg in der Ukraine, die Lage im Nahen Osten, aber auch die aktuellen handelspolitischen Konflikte zeigen die hohe Bedeutung des gemeinsamen europäischen Marktes in besonderer Weise auf", sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier der Nachrichtenagentur Reuters. "Daher sind die Chancen auf eine europa- und auch deutschlandfreundlichere Regierung in Polen ein ermutigendes Zeichen."

FÜNFTGRÖSSTER HANDELSPARTNER

Das deutsch-polnische Handelsvolumen entwickelt sich seit Jahren dynamisch: 2022 lag es bei knapp 170 Milliarden Euro. Damit ist Polen inzwischen zum fünftgrößten Handelspartner Deutschlands aufgestiegen. 2010 lag das Land noch auf Platz zehn. Die Bedeutung der deutsch-polnischen Beziehungen dürfte in den kommenden Jahren noch zunehmen, erwartet die DIHK. "Dafür spricht, dass Unternehmen in beiden Ländern vor dem Hintergrund neuer Lieferketten und gesamteuropäischer Entwicklungen wie der Energiewende, der Elektromobilität und Digitalisierung ähnliche Interessen verfolgen", sagte Treier. Dies könne auch in den kommenden Jahren zu wertvollen Synergien führen. "Und nicht zuletzt spricht der weltweite Trend des Near-Shoring von Direktinvestitionen deutscher Unternehmen für noch mehr Engagement in Polen", sagte der Experte.

Beim östlichen Nachbarn könnte es nach der Parlamentswahl eine radikale Kehrtwende geben: Die regierende national-konservative Partei PiS von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat Prognosen zufolge keine Mehrheit mehr. Eine Schlüsselrolle kommt nun Oppositionsführer Donald Tusk zu. Der 66-jährige frühere EU-Ratspräsident könnte eine Regierung schmieden - und den Dauerstreit mit Brüssel beenden. Verbindliche Ergebnisse werden aber erst am Dienstag erwartet.

"GEMEINSAME ERFOLGSGESCHICHTE"

Deutschland ist mit gut 21 Prozent für Polen sowohl das größte Lieferland vor China als auch das wichtigste Abnehmerland (28,6 Prozent). "Rund 1,2 Millionen Jobs in Polen hängen vom deutschen Endverbrauch ab", sagte die Ost-Ausschuss-Vorsitzende Mühlhäuser. "Die Integration Polens in die EU ist eine große, gemeinsame Erfolgsgeschichte."

Der Wert der deutschen Direktinvestitionen in Polen liegt der DIHK zufolge aktuell bei mehr als 41 Milliarden Euro. Der Auslandshandelskammer zufolge sind rund 5500 deutsche Unternehmen in Polen aktiv. Sie beschäftigten etwa 450.000 Mitarbeiter und erzielten zuletzt einen Jahresumsatz von annähernd 100 Milliarden Euro (2021). Umgekehrt ist auch Deutschland attraktiv für polnische Investoren.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Kerstin Dörr und Sabine Wollrab - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)