Frankfurt (Reuters) - Die größte deutsche Gewerkschaft IG Metall wird erstmals in ihrer Geschichte von einer Frau angeführt: Christiane Benner wurde am Montag auf dem Gewerkschaftstag in Frankfurt zur neuen Ersten Vorsitzenden gewählt. Nach acht Jahren als Vizechefin tritt die 55-Jährige die Nachfolge des scheidenden IG-Metall-Chefs Jörg Hofmann an. Benner erhielt 96,4 Prozent der Stimmen. Die mit knapp 2,2 Millionen Mitgliedern weltweit größte, staatlich unabhängige Gewerkschaft vertritt die Interessen von Beschäftigten der Stahl-, Metall- und Elektroindustrie sowie des Maschinenbaus und der Textilindustrie. Der Frauenanteil der entsprechend der Struktur dieser Branchen entsprechenden männerdominierten Organisation liegt bei knapp 20 Prozent.
Beschäftigung zu sichern beim Umbau der Industrie zum klimaneutralen Produzieren ist wichtigstes Ziel der IG Metall in den kommenden Jahren. "Unsere Industrie in Deutschland muss weiterentwickelt und nicht abgewickelt werden", forderte Benner. "Wir kämpfen um jede Beschäftigte und jeden Beschäftigten."
Anders als ihre männlichen Vorgänger lernte die in Hessen aufgewachsene Benner keinen klassischen Metallberuf, sondern begann ihr Berufsleben als Fremdsprachenkorrespondentin. Beim Maschinenbauer Schenck in Darmstadt wurde sie erstmals aktiv in der Gewerkschaft als Jugendvertreterin. Ein Soziologiestudium mit praktischen Erfahrungen in den USA folgte. Danach begann sie 1997 als Funktionärin bei der IG Metall, wo ihr Weg von der Geschäftsstelle in Frankfurt über den Bezirk Niedersachsen bis in den Vorstand führte. Zu ihren Aufgaben zählte zuletzt die Mitgliedergewinnung in neuen Zielgruppen wie Angestellten und Akademikern sowie die Arbeit der Gewerkschaft in den Betrieben.
Die Industrie als Arbeitgeber in Deutschland halten ist ein wichtiges Ziel der Gewerkschaft unter Benners Führung. Unternehmen investieren immer mehr im Ausland wegen niedrigerer Energiekosten und Löhne dort. Während die IG Metall Abstriche bei den Tarifen nicht zulässt, ist sie bei den Energiekosten auf einer Linie mit den Unternehmen und fordert einen subventionierten Brückenstrompreis für energieintensive Branchen. Stahl- oder Chemieindustrie sollen so die Umstellung auf klimaneutrale Produktion stemmen können, bis Strom durch den Ausbau erneuerbarer Energien wieder billiger wird.
Um den Strukturwandel zu klimaneutraler und digitalisierter Wirtschaft mitgestalten zu können, will Benner die Mitbestimmung der Betriebsräte in den Unternehmen stärken - zum Beispiel, um Alternativen bei drohender Schließung von Standorten durchzusetzen. Um hier mehr Ressourcen hereinzustecken, wird der geschäftsführende Vorstand von sieben auf fünf Posten verkleinert.
(Bericht von Ilona Wissenbach; redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)