Reuters

Haushaltsberatungen im Bundestag beginnen mit Eklat

16.11.2023
um 17:22 Uhr

- von Holger Hansen und Christian Krämer

Berlin (Reuters) - Überschattet vom Verfassungsgerichtsurteil zum Klimafonds KTF wurden am Donnerstag im Haushaltsausschuss des Bundestages die Schlussberatungen zum Etat 2024 aufgenommen.

Die CDU/CSU-Fraktion kündigte aus Sorge vor einem verfassungswidrigen Budget an, sich nicht an den Beratungen aktiv beteiligen zu wollen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wollte sich bei einer Aktuellen Stunde im Parlament noch nicht auf langfristige Folgen aus dem Karlsruher Richterspruch festlegen, der einen Nachtragshaushalt von Ende 2021 kippte. Damit fehlen nun 60 Milliarden Euro im KTF und damit für Investitionen in grüne Projekte. Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte voraus, das Urteil werde vor allem die deutsche Industrie hart treffen.

Die Fachpolitiker der Koalition und der Opposition kamen am Mittag zur sogenannten Bereinigungssitzung zusammen, an deren Ende voraussichtlich am Freitagmorgen der Etat für 2024 steht. Die abschließende Abstimmung des Ausschusses wurde aber auf eine digitale Sitzung am Donnerstag nächster Woche verschoben. Damit sollen externe Sachverständige Zeit bekommen, bei einer Anhörung am Dienstag die Auswirkungen des Urteils zu beleuchten.

Die CDU-Haushaltsexperten Mathias Middelberg und Christian Haase sprachen von einem "unseriösen Verfahren" der Ampel-Fraktionen SPD, Grüne und FDP. "Daher haben wir uns dazu entschlossen, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in der heutigen Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses keine eigenen Anträge stellen wird." Die Ampel müsse vor dem Abschluss der Haushaltsberatungen die Auswirkungen des Urteils genauer unter die Lupe nehmen. Die Einzelpläne der Ministerien werde die Union ablehnen.

CDU-Chef Friedrich Merz kritisierte, die Ampel werde spätestens im nächsten Jahr einen Nachtragshaushalt wegen des Urteils brauchen. Mindestens Teile der beanstandeten 60-Milliarden-Klimarücklage im KTF müssten nun in den regulären Haushalt überführt werden. Die AfD sagte voraus, dass dem KTF schon 2024 das Geld ausgehen werde.

INDUSTRIE WIRD VERLIEREN

"Es ist jetzt zu früh, bereits eine Debatte über grundlegende Konsequenzen zu führen", konterte FDP-Chef Lindner. Die Leitplanken der Ampel blieben unverändert. Dazu gehöre das Einhalten der Schuldenbremse als auch der Verzicht auf Steuererhöhungen. "Tatsächlich hat dieser Staat kein Einnahmeproblem." Im Haushalt müssten nun noch stärker als bisher Prioritäten gesetzt werden. Deutschlands höchstes Gericht hatte den Nachtragshaushalt wegen Verstößen gegen die Schuldenbremse gekippt. Ungenutzte Corona-Kredite durften demnach nicht in den Klimafonds verschoben werden, um sie später für andere Zwecke zu nutzen.

Grünen-Politiker Habeck sagte, der Industrie fehle nun eine große Summe für die Transformation Richtung Klimaneutralität. Man sei kurz davor gewesen, sogenannte Klimaschutzverträge etwa für die Stahlindustrie abzuschließen, damit diese klimafreundlicher produzierten und nicht abwanderten. "Für diese Industrie ist das Urteil von gestern erstmal eine harte Herausforderung." Er wolle den Verlust an Wettbewerbsfähigkeit nicht hinnehmen. "Also müssen wir das Geld an anderer Stelle finden." Habeck hat sich mehrfach dafür ausgesprochen, die Schuldenbremse im Grundgesetz zu reformieren, um mehr investieren zu können. Die FDP lehnt dies aber strikt ab.

Die Ampel will am Zeitplan für den Haushalt 2024 festhalten, den Ausgaben- und Einnahmenplan des KTF später ändern, sobald nach einem Kassensturz ersichtlich ist, wie groß die Lücke für 2024 genau ist. Bis dahin hat Lindner für weite Teile des KTF eine Haushaltssperre verhängt und damit neue Ausgaben von seiner Zustimmung abhängig gemacht.

"Wäre die Bereinigungssitzung, wie die Union wollte, auf unbestimmt verschoben worden, wäre der Haushalt nicht vor dem 31.12.23 in Kraft getreten", erklärten die haushaltspolitischen Sprecher von SPD, Grünen und FDP. "In diesem Fall wäre eine vorläufige Haushaltsführung notwendig gewesen." Dann wären weitere Unterstützungsleistungen an die Ukraine oder auch neue Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr vorerst nicht möglich gewesen. Der Bundestag soll den Haushalt wie geplant am 1. Dezember zum Abschluss seiner Haushaltswoche verabschieden, wenn die Einzelpläne aller Ministerin im Parlament debattiert werden.

Die Schuldenbremse soll nach 2023 auch 2024 wieder eingehalten werden. Lindners Entwurf vom Sommer sah eine Neuverschuldung von 16,6 Milliarden Euro vor. Die seither verschlechterten Konjunkturaussichten erhöhen den Spielraum für neue Kredite nach früheren Angaben Lindners um nochmals etwa 5,5 Milliarden Euro.

(Weiterer Reporter: Andreas Rinke und Markus Wacket. Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)