Paris/Berlin (Reuters) - Frankreich hat vor dem bilateralen Finanzminister-Treffen in Berlin vor zu hohen Erwartungen gewarnt.
Deutschland und Frankreich bräuchten noch einige Tage Verhandlungen, um ihre Differenzen zur Reform der europäischen Schuldenregeln auszuräumen, sagte Finanzminister Bruno Le Maire am Freitag in Paris vor seiner Abreise zum Treffen mit seinem deutschen Amtskollegen Christian Lindner. Ein Konsens zwischen den beiden größten Volkswirtschaften Europas sei die Voraussetzung, um auch eine Verständigung im Kreis aller EU-Staaten erzielen zu können. Beide Seiten würden seit Monaten sprechen und hätten sich bereits aufeinander zubewegt, so Le Maire zu Journalisten.
Das Bundesfinanzministerium wollte sich vor dem Treffen nicht äußern. Am Donnerstag hieß es, es handele sich um ein informelles Arbeitstreffen. Eine Presseunterrichtung sei nicht geplant.
Früheren Angaben zufolge wollen beide Seiten noch dieses Jahr eine politische Verständigung zu der Reform erreichen, die dann auch im Rahmen der 27 EU-Finanzminister durchgeht. Diese kommen regulär vor dem Jahresende noch einmal im Dezember zusammen. Bis dahin soll es einen Kompromiss geben. Lindner will strengere Regeln durchsetzen, Le Maire wirbt eher für einen lockeren Kurs, um mehr Geld in Zukunftsprojekte investieren zu können.
Ausgangspunkt der Verhandlungen sind Pläne der EU-Kommission. Diese will künftig individuell ausgehandelte Abbaupfade für EU-Staaten mit zu hohen Haushaltsdefiziten und Schuldenständen - statt bislang pauschaler Vorgaben. EU-Länder sollen in der Regel in einem Zeitraum von vier Jahren ihre Werte verbessern müssen, teilweise innerhalb von sieben Jahren. Die europäischen Schuldenregeln sind seit 2020 zunächst wegen der Corona-Pandemie und später wegen der Folgen des Ukraine-Kriegs ausgesetzt, sollen aber ab 2024 wieder greifen. In der Zeit sind die Schuldenstände deutlich gestiegen.
Eigentlich gilt in der EU eine Obergrenze beim Haushaltsdefizit von drei Prozent der jeweiligen Wirtschaftsleistung und 60 Prozent beim gesamten Schuldenstand. Gegen diese Vorgaben wurde in der Vergangenheit aber immer wieder verstoßen, ohne dass dies nennenswerte Konsequenzen gehabt hätte. Sollte keine Einigung über eine Reform gelingen, würden die alten Regeln ab Anfang nächsten Jahres wieder greifen. Sie gelten aber als überholt und nicht mehr realistisch.
(Bericht von Leigh Thomas und Christian Krämer, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)