- von Andreas Rinke
Berlin (Reuters) - Die Regierungen von Deutschland und Italien wollen den Bau einer Wasserstoff-Pipeline von Nordafrika bis Süddeutschland vorantreiben.
Das geht aus dem "Deutsch-italienischen Aktionsplan für die strategische bilaterale und EU-Zusammenarbeit" hervor, der der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt. Kanzler Olaf Scholz und die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni wollen ihn am Mittwoch am Rande der gemeinsamen Regierungskonsultationen in Berlin unterzeichnen. In dem Papier werden zudem regelmäßigere Konsultationen in den Bereichen Verteidigungs-, Außen-, Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie Migration vereinbart. Auch bei Rüstungsprojekten streben beide Regierungen mehr Kooperationen an.
Die Rechtsaußen-Politikerin Meloni reist mit einigen Kabinettsmitglieder nach Berlin, wo sie zusammen mit Scholz auch an der virtuellen Schalte der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) teilnehmen wird. Die Regierungskonsultationen und der Aktionsplan sollen die Beziehungen zwischen beiden großen EU-Staaten ungeachtet politischer Differenzen festigen. Allerdings hatte die Bundesregierung mit der zweitägigen deutsch-französischen Kabinettsklausur vor wenigen Wochen deutlich gemacht, dass Paris für Berlin der engste Partner in der EU ist.
In dem Aktionsplan wird erklärt, dass beide EU-Staaten die Diversifizierung der Energieversorgung vorantreiben und den Bau neuer Erdgas- und Wasserstoffpipelines zwischen Deutschland und Italien (über Österreich und/oder die Schweiz) erreichen wollen. Dies betrifft insbesondere den "South Central Hydrogen Corridor" (SCHC), der die südlichen Teile Deutschlands und Italiens mit Nordafrika verbinden und den Import von zehn Millionen Tonnen Wasserstoff bis 2030 ermöglichen soll.
"Der Korridor bietet außerdem enorme Möglichkeiten für den Import von erneuerbaren Energien aus Nordafrika und verbindet die Nachfragezentren in Italien, Deutschland, Österreich und der Schweiz miteinander und trägt so zur Entstehung eines größeren europäischen Wasserstoffnetzes bei", heißt es. Um dieses Ziel zu erreichen, soll auch die Produktion von erneuerbaren Energien, Erdgas und Wasserstoff in Nordafrika gefördert werden.
Bei der Migration befürworten beide Länder die Reform des EU-Asylsystems mit einer größeren Solidarität bei der Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der Union sowie einem besseren Außengrenzschutz. Eine engere Abstimmung soll es auch bei der "Zusammenarbeit der EU mit Herkunfts- und Transitdrittländern" geben. Italien hatte zuletzt ein Abkommen mit Albanien über die Einrichtung eines Flüchtlingslagers abgeschlossen, in dem Asylverfahren durchgeführt werden sollen.
Beide Regierung drängen auf schnellere Genehmigungen der EU-Kommission für Investitionsentscheidungen. Dies soll vor allem für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gelten, die die Wirtschaftsstruktur beider Staaten prägen. Zudem wird ein bilaterales makroökonomisches Forum eingerichtet, in dem regelmäßig Finanz- und Wirtschaftsfragen besprochen werden sollen. Eine engere Zusammenarbeit wird in der Raumfahrt- und Digitalpolitik angestrebt. Erst am Wochenende hatten Deutschland, Frankreich und Italien eine gemeinsame Position zur Regulierung der Künstlichen Intelligenz vorgelegt.
Deutschland und Italien bekennen sich zu einer europäischen Rüstungskooperation. Als potenzielle künftige Bereiche der Zusammenarbeit werden etwa das geplante Hauptbodenkampfsystem (MGCS), das Panzergrenadiersystem (AICS) und Langstreckenartillerie genannt. Damit wird angedeutet, dass Italien zu dem von Deutschland und Frankreich geplanten MGSC-Projekt dazustoßen könnte, das etwa wegen Differenzen zwischen der deutschen und französischen Rüstungsindustrie nicht vorankommt. "Bewährte, erfolgreiche Akteure aus der Industrie sollen die Führung übernehmen und geeignete Auftragnehmerkonsortien bilden", heißt es allgemein.
(Bericht von Andreas Rinke, Angelo Amante, Sarah Marsh; redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)