- von Bart H. Meijer und Charlotte Van Campenhout
Amsterdam (Reuters) - Nach seinem unerwartet klaren Sieg bei der Wahl in den Niederlanden strebt der Rechtspopulist Geert Wilders die Regierungsbildung an und will dabei eine Begrenzung der Einwanderung in den Mittelpunkt rücken.
Der Islam-Gegner und Befürworter eines EU-Austritts bekräftigte am Donnerstag sein Ziel, Ministerpräsident zu werden und kündigte an, rasch die Suche nach Koalitionspartnern zu beginnen. Die dafür infrage kommenden Parteien, die sich vor der Wahl noch skeptisch dazu geäußert hatten, klangen nun weniger ablehnend. Allerdings teilt keine dieser Parteien Wilders radikale Ideen. Der Rechtsruck ist nicht nur für die Niederlande eine politische Zäsur, er könnte auch die EU vor neue Probleme stellen. Von Rechtspopulisten aus anderen europäischen Ländern bekam Wilders umgehend Zuspruch.
Wilders bekräftigte am Tag nach der Wahl, er sei für ein Referendum darüber, ob die Niederlande die EU verlassen sollten. "Aber das Wichtigste ist eine deutliche Einschränkung von Asyl und Einwanderung", sagte er zu niederländischen Medien. "Wir tun das nicht für uns, sondern für alle Niederländer, die uns gewählt haben". Er sei zuversichtlich, eine Einigung für eine Regierungsbildung erzielen zu können, denn seine Partei sei nun zu groß geworden, um sie zu ignorieren. Zugleich zeigte er sich dafür auch kompromissbereit. "Ich verstehe sehr gut, dass wir keine Maßnahmen ergreifen sollten, die verfassungswidrig sind."
Wilders kam bei der Wahl am Mittwoch mit seiner Partei für die Freiheit (PVV) auf 37 der 150 Sitze im Parlament und damit auf deutlich mehr als in Umfragen vorhergesagt. Weit dahinter liegen die erstmals gemeinsam angetretenen Sozialdemokraten und Grünen, die auf 25 Sitze kommen. Dahinter folgt mit 24 Sitzen die konservative Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) des scheidenden Ministerpräsidenten Mark Rutte. Dessen Mitte-Rechts-Koalition aus vier Parteien war Anfang Juli am Streit über eine Verschärfung der Regeln zum Familiennachzug von Asylsuchenden zerbrochen. Der dienstälteste Regierungschef in der Geschichte der Niederlande hatte daraufhin nach 13 Jahren im Amt seinen Rückzug aus der Politik angekündigt.
Eine Koalition aus Wilders Freiheitspartei, VVD und der neuen NSC-Partei des konservativen Politikers Pieter Omtzigt hätte zusammen 81 Sitze und wäre damit die naheliegendste Kombination. Beide Parteien hatten allerdings erklärt, dass sie ernsthafte Zweifel an einer Zusammenarbeit mit Wilders wegen seiner offen islamfeindlichen Haltung haben. Nach der Wahl äußerten sich beide Parteien abwartend. "Wir sind bereit zu regieren", sagte Omtzigt. Man werde angesichts dieses schwierigen Ergebnisses darüber beraten, wie man am besten dazu beitragen könne. VVD-Chefin Dilan Yesilgoz, die Anfang der Woche noch erklärt hatte, ihre Partei werde sich nicht an einer von Wilders geführten Regierung beteiligen, sagte nun, es liege nun am Sieger, zu zeigen, dass er eine Mehrheit erreichen könne.
Wilders, der Ex-US-Präsident Donald Trump und den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban als eine Art Vorbilder bezeichnet hat, hat im Wahlkampf angekündigt, jegliche Einwanderung zu stoppen, die niederländischen Zahlungen an die Europäische Union zu kürzen und den Beitritt neuer Mitglieder wie etwa der Ukraine zu verhindern. Zudem lehnt er weitere Waffenlieferungen für die Ukraine ab.
Der Sieg von Wilders ist daher auch ein Warnschuss für die etablierten Parteien in ganz Europa vor den Wahlen zum EU-Parlament im kommenden Juni. Dann werden wahrscheinlich die gleichen Themen im Blickpunkt stehen: Einwanderung, Lebenshaltungskosten und Klimawandel. Andere Rechtspopulisten begrüßten sogleich Wilders Wahlerfolg. Italiens Vize- Ministerpräsident, der Chef der rechtsextremen Lega, Matteo Salvini, nannte ihn einen Beweis dafür, dass "ein neues Europa möglich ist". Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen, erklärte, die Hoffnung auf Veränderung in Europa bleibe lebendig. Ungarns national-konservativer Regierungschef Viktor Orban sagte: "Der Wind des Wandels ist da."
Aus Deutschland kamen besorgte Töne: "Die große Zustimmung für anti-europäische Kräfte in den Niederlanden ist bitter", sagte Europa-Staatsministerin Anna Lührmann zu Reuters. "Alle Pro-Europäer müssen jetzt daran arbeiten, dass sich das bei den Europawahlen nicht wiederholt", fügte die Grünen-Politikerin hinzu. Auch der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen warnte von einem Rechtsruck in ganz Europa. Wenn die Parteien der politischen Mitte im Wahlkampf andauernd über Migration redeten, ohne die Probleme zu lösen, "dann werden die Rechtspopulisten Wahlsieger", sagte er der Funke-Mediengruppe. Er glaube aber nicht, dass Wilders Ministerpräsident werde. Ein Sprecher der EU-Kommission sagte: "Wir zählen natürlich weiterhin auf die starke Beteiligung der Niederlande an der Europäischen Union."
(Mitarbeit von Andreas Rinke, geschrieben von Christian Götz, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)