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Nagel warnt vor vorschnellen Zinssenkungen - "Dürfen nicht in diese Falle tappen"

23.11.2023
um 15:22 Uhr

Frankfurt (Reuters) - Bundesbank-Präsident Joachim Nagel warnt davor, die Zinsen im Euroraum zu früh wieder zu senken.

Dies könne sich als Fehler erweisen, da die Inflation auf einem erhöhten Niveau bleiben oder sogar wieder an Fahrt gewinnen könne, sagte er am Donnerstag auf einer Veranstaltung in Mailand laut Redetext. "In diesem Fall müssten wir die Geldpolitik erneut straffen und die dämpfende Wirkung auf die Wirtschaft könnte sogar größer sein als sie sonst gewesen wäre", fügte er hinzu. Der nächste Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) steht am 14. Dezember an.

Forschungen zu früheren Inflationsphasen hätten gezeigt, dass viele Länder voreilig den Sieg über die Inflation feierten. Dies sei eine klare Gefahr, sagte Nagel: "Wir dürfen in diese Falle nicht hineintappen." Die EZB hat die Schlüsselsätze im Kampf gegen die Inflation seit Sommer 2022 in zehn Schritten um insgesamt 4,50 Prozentpunkte angehoben. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz liegt damit aktuell bei 4,00 Prozent - das höchste Niveau seit Beginn der Währungsunion 1999. Auf ihrer jüngsten Zinssitzung im Oktober hatte die EZB eine Pause eingeleitet. Am Finanzmarkt wird bereits mit einer ersten Zinssenkung im April 2024 gerechnet.

EINE INFLATIONSKURVE "WIE DAS MATTERHORN"

Laut dem Bundesbankchef ist es zwar ermutigend, dass die Inflation im Euroraum im Oktober auf 2,9 Prozent gesunken ist. "Dennoch, obwohl die Inflationskurve derzeit ein wenig wie das Matterhorn aussieht - oder, wie er in Italien genannt wird, Monte Cervino - erwarte ich nicht, dass dieser steile Rückgang in den kommenden Monaten anhalten wird", sagte er. Die EZB strebt mittelfristig 2,0 Prozent Inflation als Optimalwert für die Wirtschaft im Euroraum an. "Selbst wenn die Energiepreise auf ihrem aktuellen Niveau bleiben, erwarte ich, dass die Inflation wieder etwas ansteigt." Der Weg werde in den kommenden Monaten wahrscheinlich holprig sein, mit vielen Höhen und Tiefen.

Eine schwere Rezession in der Eurozone erwartet Nagel nicht. Er sei zuversichtlich, dass die Geldpolitik die Inflation zähmen könne, ohne dass die Wirtschaft dabei eine "harte Landung" erlebe. Der Arbeitsmarkt zeige sich weiterhin widerstandsfähig, sowohl in Italien als auch in Deutschland.

(Bericht von Frank Siebelt, redigiert von Reinhard Becker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)