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KI-Branche drängt auf Kurskorrektur bei europäischer Regulierung

24.11.2023
um 12:32 Uhr

Frankfurt (Reuters) - Im Endspurt um die Feinabstimmung des "AI Act" mehren sich die Forderungen aus der Wirtschaft nach Änderungen bei der Regulierung Künstlicher Intelligenz (KI).

Das Gesetz sei das derzeit wichtigste Projekt der europäischen Politik, sagte Ralf Wintergerst, Präsident des deutschen Digitalverbands Bitkom, am Freitag. "Dabei muss gelten: Gründlichkeit vor Schnelligkeit." Die Chancen, die diese neue Technologie biete, dürften nicht verspielt werden. Zuvor hatte auch der europäische Branchenverband DigitalEurope vor einer Überregulierung gewarnt.

Streit gibt es vor allem um gesetzliche Leitplanken für sogenannte Foundation Models. Dabei handelt es sich wie bei ChatGPT um eine für bestimmte Aufgaben trainierte Basis-KI. Diese kann dann eingesetzt werden, um beispielsweise als Chatbot den Kundendienst seines Unternehmens abzuwickeln oder als digitaler Assistent Ärzte bei Diagnosen und Behandlungen zu unterstützen.

Eine Regulierung von Foundation Models auf Grundlage der Größe ihrer Datenbasis sei ein Irrweg, kritisierte Wintergerst. Denn diese sei kein Maßstab für mögliche Risiken. Außerdem könnten Anbieter die Auswirkungen ihrer Grundlagen-Technologie auf einzelne Anwendungen nicht absehen. "Europa läuft Gefahr, sich bei einer der spannendsten KI-Entwicklungen aufs Abstellgleis zu manövrieren", betonte der Bitkom-Präsident. Sein Verband unterstütze daher die Initiative Deutschlands, Frankreichs und Italiens.

Die drei Staaten hatten sich vergangene Woche auf eine gemeinsame Position für den Trilog zum "AI Act" zwischen Europäischem Parlament, Kommission und EU-Mitgliedsstaaten geeinigt. Sie sprechen sich für eine verbindliche Selbstverpflichtung aus, bei der die Anbieter von Foundation Models Transparenz und Sicherheitschecks gewährleisten. Verstöße sollten allerdings vorerst nicht geahndet werden. "Ich hoffe, dass die Positionen Eingang in den 'AI Act' finden", sagte Viacheslav Gromov, Chef des KI-Spezialisten Aitad. "Einige aus der Branche haben gesagt, dass der bisherige EU-Entwurf kaum Luft zum Atmen lässt. Diese Luft wird uns nun hoffentlich gegeben."

Digitalminister Volker Wissing sieht in einer zurückhaltenderen Regulierung keine Gefahr. "Es dient unserer Sicherheit und unserer Souveränität, dass wir diese Technologie in Europa weiterentwickeln und sie auch selbst in der Hand behalten", sagte der Politiker. Im Rahmen der Präsentation von Reformvorschlägen für eine europäische Digitalpolitik stellte Wissing außerdem "Mission KI" vor. Diese Initiative soll den Zugang zu KI vereinfachen und den Wissenstransfer zwischen Forschung und Wirtschaft fördern. "'AI made in Germany' kann ein internationaler Wettbewerbsvorteil werden, wenn wir es unseren heimischen KI-Unternehmen erleichtern, hochwertige, sichere und leistungsstarke Anwendungen auf den Markt zu bringen."

(Bericht von Hakan Ersen, unter Mitarbeit von Foo Yun Chee, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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