Berlin (Reuters) - Ein Bundesparteitag der Grünen in Karlsruhe hat die beiden Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour für weitere zwei Jahre bestätigt.
Die Delegierten wählten Lang mit 82,3 Prozent und Nouripour mit 79 Prozent der Stimmen. Für Lang fiel das Ergebnis etwas besser und für Nouripour etwas schlechter aus als bei ihrer Wahl Anfang 2022. Auf dem Parteitag standen am Freitag weitere Wahlen zum Bundesvorstand wie auch die Aufstellung der Kandidatenliste zur Europawahl 2024 an. Spitzenkandidatin der Grünen soll die Co-Fraktionschefin im Europaparlament, Terry Reintke, werden. Die Wahl der 36-Jährigen auf Listenplatz eins war für den Nachmittag geplant.
Das Führungsduo stimmte die Partei auf schwierige Zeiten in der Koalition mit SPD und FDP ein. Lang sprach von einer historischen Aufgabe, Klimaschutz, Wohlstand und Gerechtigkeit miteinander zu verbinden. Es gebe den Versuch, die Grünen zurückzudrängen auf eine Ein-Thema-Partei. "Gerade das werden wir nicht mitmachen", sagte Lang. Sie wolle eine Partei, die auf Menschen mit Sorgen und Ängsten zugehe. "Wir brauchen ein neues Gerechtigkeitsversprechen für die gesellschaftliche Mitte."
NOURIPOUR: DIE HÄRTEREN JAHRE KOMMEN NOCH
Nach Nouripours Worten haben die Grünen ihre schwierigsten Zeiten noch vor sich. "Das waren zwei aufreibende Jahre, aber das waren die beiden leichten Jahre", sagte Nouripour. "Die beiden härteren kommen jetzt noch, das wissen wir." Der Co-Parteichef ging auch auf die langjährige Forderung der Partei nach einem Tempolimit auf Autobahnen ein, für das es in der Ampel-Koalition mit der FDP keine Mehrheit gebe: "Das bleibt selbstverständlich in großen Buchstaben auf dem Zettel."
Lang und Nouripour erzielten bei den Grünen übliche Wahlergebnisse, die in den vergangenen Jahren nur gelegentlich Ausreißer noch oben oder unten zeigten. Die 29-Jährige lag nur nach Prozenten vor dem 48-jährigen Nouripour. Bei ihrer Wahl fiel die Beteiligung der Delegierten geringer aus: Sie erhielt 612 Stimmen, für Nouripour votierten 613 Delegierte. Während Lang ohne Gegenkandidatin antrat, entfielen auf einen Mitbewerber von Nouripour - Philipp Schmagold - zwölf Prozent.
Die etwa 800 Delegierten wollen noch bis Sonntag das Europawahlprogramm debattieren und beschließen. Zum Auftakt am Donnerstagabend war in einer allgemeinen Aussprache auch vereinzelt Kritik am Kurs der Grünen in der Regierung geäußert worden. Rückhalt fand auf dem Parteitag die Forderung nach einer Reform der Schuldenbremse, über die Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte: "Mit der Schuldenbremse, wie sie ist, haben wir uns freiwillig die Hände auf den Rücken gefesselt und ziehen in einen Boxkampf." Klimaneutralität sei zum umkämpften Wettbewerb geworden, den die USA und China mit großer Entschlossenheit und viel Geld führten. Nouripour mahnte: "Kaputtsparen geht nicht."
Am Sonntag steht auch die Wahl des Parteirates an, der den Bundesvorstand berät. Bisher sind darin auch Außenministerin Annalena Baerbock und Habeck wie auch die Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge und Britta Haßelmann vertreten. Sie treten nicht erneut an. In ihrem Umfeld wurde auf Zeitgründe verwiesen. In Parteikreisen wurde der Darstellung in Medienberichten widersprochen, sie wollten damit eine Abstimmung über ihre Personen vermeiden. Aus der Parteizentrale hieß es, damit stehe das Gremium mit insgesamt 13 gewählten Mitgliedern mehr Leuten aus unterschiedlichen Ebenen der Partei offen. Das eigentliche Machtzentrum der Grünen ist eine informelle Sechserrunde der Partei- und Fraktionsvorsitzenden mit Habeck und Baerbock.
(Bericht von Holger Hansen, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)