Reuters

Hamas könnte erstmals auch Männer aus Geiselhaft freilassen

28.11.2023
um 13:47 Uhr

- von Nidal al-Mughrabi und Dan Williams

Jerusalem/Kairo (Reuters) - Für eine weitere Verlängerung der Waffenruhe mit Israel erwägt die radikal-islamische Palästinenser-Gruppe Hamas nach eigenen Angaben nun auch die Freilassung männlicher Geiseln.

Seine Organisation strebe eine neue Vereinbarung für eine Ausweitung der Feuerpause an, bei der sie nicht nur Frauen und Kinder im Austausch mit palästinensischen Häftlingen in israelischen Gefängnissen freilasse, sagte Hamas-Vertreter Chalil Al-Hajja am Montagabend dem arabischen TV-Sender Al-Jazeera. Israel bekräftigte am Dienstag, dass die Waffenruhe auf unbestimmte Zeit verlängert werden könne, solange die Hamas weiterhin mindestens zehn Geiseln pro Tag freilasse. Da die Hamas jedoch nur noch wenige Frauen und Kinder gefangen hält, könnte die Waffenruhe über den Mittwoch hinaus nur verlängert werden, wenn sie erstmals auch einige israelische Männer freilässt. Die am Montag um zwei Tage ausgedehnte Waffenruhe schien auch den fünften Tag zu halten. Vermittler Katar teilte mit, sich um eine weitere Verlängerung zu bemühen.

Auch Israel signalisierte die Bereitschaft den Gefangenenaustausch auszuweiten. Die Regierung fügte am Montagabend ihrer Liste mit palästinensischen Häftlingen, die für eine Freilassung aus israelischen Gefängnissen infrage kommen, die Namen 50 weiblicher Gefangener hinzu. Zuvor hatte sie 300 palästinensische Frauen und männliche Jugendlichen dafür aufgelistet. Es wird erwartet, dass bei einer Freilassung männlicher israelischer Zivilisten aus der Hamas-Geiselhaft es sich zunächst um Väter und Ehemänner der in den vergangenen Tagen freigekommenen Kindern und Frauen handeln dürfte. Nach dem aktuellen Abkommen lässt Israel im Gegenzug für eine Geisel drei palästinensische Gefangene aus seinen Haftanstalten frei.

Die Hamas hat bei ihrem überraschenden Überfall auf Israel am 7. Oktober rund 1200 Menschen getötet und etwa 240 Menschen in den Gazastreifen verschleppt. Danach hatte Israel den Gazastreifen massiv angegriffen. Dabei wurden mehr als 15.000 Menschen getötet, etwa 40 Prozent davon Kinder. Am Montag hatten Israel und die Hamas die Waffenruhe, die am Freitag für zunächst vier Tage in Kraft getreten war, um zwei Tage verlängert. Im Rahmen der von Katar und Ägypten vermittelten Vereinbarung hat die Hamas inzwischen 50 israelische Frauen und Kinder und Israel im Austausch 150 palästinensische Gefangene freigelassen.

Israel bekräftigte auch, nach der Waffenruhe den Kampf gegen die im Gazastreifen herrschende Hamas fortzusetzen. "Unmittelbar nach Abschluss der Geiselbefreiung werden die Kriegshandlungen wieder aufgenommen", sagte Gideon Saar, Minister im israelischen Kriegskabinett. "Wir haben die feste Absicht, die Ziele des Krieges umzusetzen, um die Hamas in Gaza zu stürzen." Auch die Hamas hat angekündigt, nach der Waffenruhe wieder gegen Israel zu kämpfen.

USA FORDERN VON ISRAEL MEHR SCHUTZ FÜR ZIVILISTEN IN GAZA

Die israelische Militäroffensive konzentrierte sich bislang auf den Norden des Gazastreifens. Die USA forderten Israel nun auf, für den Fall einer Militäroffensive auch im südlichen Teil des dicht besiedelten Küstengebiets mehr auf den Schutz der Zivilbevölkerung zu achten. Auch müsse Israel dann Schäden an der Infrastruktur begrenzen, um weitere Vertreibungen zu vermeiden, die die humanitären Hilfen überfordern würden, sagte ein US-Regierungsvertreter. Angriffe auf die Strom- und Wasserversorgung, Krankenhäuser und andere Hilfseinrichtungen müssten vermieden werden. "Das Ausmaß der Vertreibung, das im Norden stattgefunden hat, darf sich im Süden nicht wiederholen." Diese Botschaft sei von Präsident Joe Biden an die israelische Regierung übermittelt worden. Israel habe sich offen für eine andere Vorgehensweise bei einer Offensive im Süden gezeigt.

Die USA würden es auch begrüßen, wenn die humanitäre Waffenruhe so lange wie möglich verlängert würde, um mehr dringend benötigte Hilfsgüter für die notleidende Bevölkerung in den Gazastreifen zu bringen, sagte ein anderer US-Regierungsvertreter. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) forderte einen raschen Wiederaufbau des im Zuge der Kämpfe kollabierten Gesundheitssystems im Gazastreifen. "Wenn wir nicht in der Lage sind, das Gesundheitssystem wieder in Gang zu bringen, werden mehr Menschen an Krankheiten als an Bombenangriffen sterben", sagte WHO-Sprecherin Margaret Harris.

(Bericht von Nidal al-Mughrabi und Dan Williams, Mitarbeit von Steve Holland und David Brunnstrom, geschrieben von Christian Götz, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)