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Ampel-Koalition brütet über Lücken im Haushalt 2024

29.11.2023
um 13:17 Uhr

Berlin (Reuters) - Die Spitzen der Ampel-Koalition werden am Mittwochabend nach Angaben der SPD-Politikerin Katja Mast vor allem über die ungeklärten Haushaltsfragen für 2024 sprechen.

Beschlüsse erwarte sie jedoch nicht, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion am Mittwoch in Berlin. "Das Gesamtpaket wird bis heute Abend nicht auf dem Tisch liegen." Im Zentrum des Treffens der Regierungs-, Fraktions- und Parteispitzen von SPD, Grünen und FDP steht die Frage, wie das weitreichende Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimafonds KTF umgesetzt werden kann. Wichtig dabei ist, wie hoch der Fehlbetrag genau ist, weil der KTF nur noch eingeschränkt genutzt und der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) ab 2024 gar nicht mehr angezapft werden kann.

"Ich gehe von einem höheren zweistelligen Milliardenbetrag aus", so Mast. Finanzminister Christian Lindner und seine FDP sprechen dagegen von einem niedrigen zweistelligen Betrag. Nach dem Urteil von Mitte November wurden die Beratungen im Bundestag über den Etatentwurf für 2024 auf Eis gelegt. Die Ampel versucht derzeit, vor allem in kleinen Spitzenrunden eine Lösung zu finden.

Der CDU-Politiker Helge Braun verwies auf Zahlen des Bundesrechnungshofes: "Rechnet man wie bei der Haushaltsaufstellung noch geplant den bisherigen WSF- Wirtschaftsplan dazu, wären es 48,5 Milliarden Euro", sagte der Vorsitzende des Haushaltsausschusses zu Reuters. Die Höhe der Lücke ist für die Frage wichtig, ob sie durch Einsparungen ausgeglichen werden kann oder ob erneut die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse wegen einer Notlage ausgesetzt werden sollte.

Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen verwies in einer Analyse zuletzt auf Daten der Bundesbank, wonach sich die geplanten Defizite der nach dem Verfassungsgerichtsurteil betroffenen Sondertöpfe 2024 auf 52 Milliarden Euro summieren könnten. Diesen Betrag müsste Lindner dann neu finanzieren. "Auch wenn manche dieser Ansätze nach den Erfahrungen dieses Jahres etwas niedriger angesetzt werden könnten, verbleibt ein beträchtliches Loch in der Budgetplanung", so Solveen. Das wahrscheinlichste Szenario sei es, das Loch in erster Linie mit Einsparungen zu stopfen - dem früheren Ende der Energiepreisbremsen, pauschalen Sparvorgaben an die Ministerien, der zeitlichen Streckung von Vorhaben sowie dem Abbau klimaschädlicher Subventionen. Die ohnehin lahmende Wirtschaft würde dies aber zusätzlich belasten.

SCHULDENBREMSE 2024 ZUM FÜNFTEN MAL IN FOLGE AUSSETZEN?

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert forderte im Deutschlandfunk ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse auch 2024. "Die SPD ist der Überzeugung, dass man dafür eine Begründung finden kann", sagte Mast mit Blick auf den Ukraine-Krieg und die Folgekosten für Deutschland, die Transformationskosten für eine klimaneutrale Wirtschaft und die Wahrung des sozialen Zusammenhalts. Sie verwies auch auf riesige Subventionen, die die USA, China, aber auch Frankreich für den Umbau ihrer Wirtschaft zahlten. Mit gutem Willen aller Beteiligten werde es gelingen, den Haushalt 2024 noch in diesem Jahr zu beschließen.

Einer Forsa-Umfrage zufolge ist die Haushaltskrise für die Bürger mittlerweile das drittwichtigste Thema nach dem Nahost-Konflikt und dem Krieg in der Ukraine. 46 Prozent der Befragten wollen Finanzlöcher durch Kürzungen schließen, 34 Prozent plädieren für zusätzliche Schulden, acht Prozent sind für Steuererhöhungen. Allerdings traut eine deutliche Mehrheit von 69 Prozent der Ampel nicht zu, die Haushaltskrise zu lösen.

Im Unions-Streit um eine mittelfristige Reform der Schuldenbremse betonte CSU-Chef Markus Söder im Deutschlandfunk erneut, dass die Spitzen von CDU und CSU und die Unions-Bundestagsfraktion die von SPD, Grünen und Ökonomen geforderte Reform ablehnen würden. Einige CDU-Ministerpräsidenten hatte hingegen für eine Reform ausgesprochen. Druck kommt auch aus den Kommunen. "Spielräume waren schon vor dem Urteil schlicht nicht vorhanden", sagte der neue Präsident des Städte- und Gemeindebunds NRW, Christoph Landscheidt (SPD), der "Rheinischen Post". "Nie zuvor hatten wir eine derartige Häufung von Krisen, die sich alle massiv auf die kommunalen Haushalte auswirken. Ohne eine stärkere Finanzierung durch das Land und letztlich durch den Bund stehen wir vor einem Systemkollaps."

(Bericht von Andreas Rinke und Christian Krämer, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)