- von Christian Krämer und Andreas Rinke
Berlin (Reuters) - Vor den womöglich entscheidenden Verhandlungen zum Haushaltsentwurf für 2024 legt die FDP die Latte hoch.
Parteichef und Finanzminister Christian Lindner warb in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" dafür, die Schuldenbremse wieder einzuhalten. Zuvor hatte er am Freitag den Nachtragshaushalt für 2023 in den Bundestag eingebracht, mit dem die im Grundgesetz verankerte Obergrenze erneut und bereits das vierte Jahr in Folge ausgesetzt werden soll. Lindner will die Finanzierungslücke für 2024 lieber mit Einsparungen und Umschichtungen bei den Ausgaben schließen. Justizminister Marco Buschmann (FDP) hält es für realistischer, dass dieses Jahr der Etatentwurf nicht mehr vom Parlament beschlossen werden kann.
Die Verhandlungen der Ampel-Spitzen sollen so schnell wie möglich abgeschlossen werden. "Wir sind uns einer Dringlichkeit schon bewusst", sagte Regierungssprecherin Christiane Hoffmann in Berlin. Einen genauen Zeitplan wollte sie aber nicht nennen. Sorgfalt müsse trotz Dringlichkeit gewahrt werden.
Insider aus der Koalition hoffen auf einen Durchbruch in der nächsten Woche, damit der Haushaltsentwurf mit Sondersitzungen noch in diesem Jahr vom Parlament beschlossen werden kann. Anders als die FDP wollen SPD und Grüne 2024 die Schuldenbremse wegen einer Notlage erneut aussetzen. Damit könnten deutlich mehr Kredite aufgenommen werden, um zu investieren. SPD und Grüne halten die Regeln nicht mehr für zeitgemäß.
Lindner bezeichnete die Schuldenbremse dagegen als Erfolgsgeschichte. "Sie beendete den Trend einer chronisch ansteigenden Staatsverschuldung. Vor diesem Hintergrund sollten wir die Schuldenbremse weder abschaffen noch schleifen, sondern schlicht einhalten." Buschmann sagte der "Wirtschaftswoche", der Haushaltentwurf für 2024 müsse noch einmal überarbeitet werden. "Das wird nicht ohne Einsparung substanzieller Milliardenbeträge gehen. Sollte dies noch in diesem Jahr gelingen, wäre das eine gewaltige Leistung. Ich halte es aber für realistischer, dass es etwas länger dauern wird."
Erschwert werden die Verhandlungen durch internationale Verpflichtungen. So ist Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Freitag und Samstag bei der Weltklimakonferenz in Dubai. Vize-Kanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will ab Montag weite Teile der nächsten Woche in der Golf-Region verbringen, um auch Energiefragen zu erörtern. Damit könnte es ab Samstagabend und dann am Sonntag weitere Spitzenrunden der Ampel zum Haushalt geben.
REGIERUNG MUSS SCHATTENHAUSHALTE NEU ORDNEN
Nach kontroverser Debatte im Bundestag wurde der Entwurf für den Nachtragshaushalt an den Haushaltsausschuss überwiesen. Entscheidungen im Bundestag und Bundesrat werden Mitte Dezember erwartet. Der Nachtragshaushalt ist eine Folge des Urteils des Verfassungsgerichts von Mitte November. Ausgaben aus dem Energie-Krisenfonds WSF sollen dadurch auf eine neue Grundlage gestellt werden, um nicht angreifbar durch das Gericht zu sein.
"Jetzt schaffen wir Rechtssicherheit", sagte Lindner im Bundestag. Im Nachhinein sei der bis zu 200 Milliarden Euro schwere WSF falsch angelegt gewesen. Aus dem Sondertopf kommen vor allem die Energiepreishilfen der Regierung. Mit dem Nachtragshaushalt werden insgesamt rund 45 Milliarden Euro in den normalen Haushalt übertragen, überwiegend aus dem WSF. Die Union kritisierte, dass Lindner erneut die Schuldenbremse aussetzen wolle, obwohl er das ganze Jahr das Gegenteil behauptet habe. Die AfD nannte den Haushalt weiter verfassungswidrig.
Durch den Karlsruher Richterspruch werden im Klimafonds KTF 60 Milliarden Euro aus der Rücklage gestrichen, weil ein Teil der Mittel des Fonds auf verfassungswidrige Weise in den Sondertopf übertragen wurde. Der KTF-Wirtschaftsplan wird derzeit überarbeitet. Auch andere sogenannte Sondervermögen müssen neu aufgestellt werden, mit dem Nachtragshaushalt neben dem WSF auch der Hilfsfonds zum Wiederaufbau nach der verheerenden Flut im Sommer 2021.
Lindner bezifferte die Finanzierungslücke erneut auf 17 Milliarden Euro. Andere hochrangige Vertreter der Koalition gehen von wesentlich mehr aus, teilweise annähernd 100 Milliarden Euro. Die Regierung werde aber neue Wege finden, ihre Vorhaben zu finanzieren, sagte Lindner.
Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang kann sich ein neues Sondervermögen für Klimaschutz vorstellen. "Eine Reform der Schuldenbremse wäre möglich, aber zum Beispiel auch, wie es jetzt die Umweltverbände fordern, ein Sondervermögen für Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit", sagte sie zu RTL/ntv.
(Redigiert von Christian Rüttger; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)