Berlin (Reuters) - Unerwarteter Rückschlag für die deutsche Industrie: Nach zuvor zwei Anstiegen in Folge sammelte sie im Oktober wegen der sinkenden Auslandsnachfrage weniger Aufträge ein.
Das Neugeschäft schrumpfte um 3,7 Prozent im Vergleich zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten dagegen mit einem Wachstum von 0,2 Prozent gerechnet. Zur negativen Entwicklung trugen vor allem fehlende Großaufträge bei, ohne diesen Effekte hätte es zu einem kleinen Wachstum gereicht. Experten wird eine Rezession in Deutschland damit wahrscheinlicher, zumal die Haushaltskrise viele Betriebe verunsichern dürfte.
"Eine nachhaltige Erholung der Industriekonjunktur dürfte erst im nächsten Jahr zu erwarten sein", betonte das Bundeswirtschaftsministerium. Steigende Zinsen, hohe Energiepreise und die maue Weltkonjunktur belasten derzeit die Nachfrage, weshalb Deutschland eine Rezession droht. "Angesichts der negativen Auftragsentwicklung droht die Industrie auch im kommenden Jahr in eine Rezession zu schlittern", sagte der Konjunkturexperte der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Jupp Zenzen. Die Nachfrage aus dem Ausland nach Waren "Made in Germany" bleibe angesichts geopolitischer Unsicherheiten und der gedämpften Weltkonjunktur auf einem niedrigen Niveau.
"AUFTRAGSLAGE IMMER MEHR EIN TRAUERSPIEL"
"Für ein gewisses Schrumpfen der deutschen Wirtschaft im Winterhalbjahr spricht auch die Haushaltskrise, die viele Unternehmen verunsichert", fügte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer hinzu. Das sieht auch das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) so. "Das Verfassungsgerichtsurteil, kombiniert mit der Reaktion der Bundesregierung, ist ein spürbarer Unsicherheitsschock für die deutsche Wirtschaft", sagte der wissenschaftliche IMK-Direktor Sebastian Dullien. Das Bundesverfassungsgericht hat unter Verweis auf die Schuldenbremse entschieden, dass die ursprünglich als Corona-Kredit bewilligten 60 Milliarden Euro nicht nachträglich umgewidmet werden dürfen für Investitionen in Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft. Viele Vorhaben der Bundesregierung sind damit offen. Wie die das milliardenschwere Loch im Etat geschlossen werden soll, ist noch ungeklärt.
Die Bestellungen bei der deutschen Industrie aus dem Inland stiegen im Oktober zwar um 2,4 Prozent zum Vormonat. Dafür brach aber die Auslandsnachfrage um 7,6 Prozent ein. Damit lag der gesamte Auftragseingang von August bis Oktober um 4,6 Prozent niedriger als in den drei Monaten zuvor. "Die Auftragslage gleicht immer mehr einem Trauerspiel", sagte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger. "Für anhaltende Tristesse bei der Produktion ist also gesorgt."
AUCH UMSATZ SINKT
Ein Großteil der schwachen Entwicklung ist auf den Maschinenbau zurückzuführen: In dieser wichtigen Branche nahmen die Aufträge insgesamt um 13,5 Prozent ab, nachdem sie im September noch um 9,8 Prozent zugelegt hatten. Auch die Hersteller von Metallerzeugnissen, Metallerzeugung und -bearbeitung, von elektrischen Ausrüstungen sowie die Automobilindustrie erhielten weniger Bestellungen. Dagegen wuchs das Neugeschäft im Fahrzeugbau - wozu etwa Flugzeuge, Schiffe und Züge gehören - um 20,2 Prozent. Hier gab es viele Großaufträge.
Gesunken ist im Oktober auch der Umsatz im Verarbeitenden Gewerbe: Er fiel um 0,5 Prozent niedriger aus als im Vormonat. Im September hatte es einen Rückgang von 1,4 Prozent gegeben.
(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)