Reuters

Ampel spart im Klimafonds - Schuldenbremse soll weitgehend gelten

13.12.2023
um 13:17 Uhr

- von Holger Hansen und Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - Die Bundesregierung plant im Bundeshaushalt 2024 massive Einsparungen im Klima- und Transformationsfonds (KTF) und will an der Schuldenbremse im Grundgesetz weitgehend festhalten.

Bundeskanzler Olaf Scholz machte am Mittwoch aber deutlich, dass die Regierung eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse anstrebt, wenn sich die Kosten für die Ukraine-Hilfe nochmals erhöhen. Bisher seien für den Etat 2024 dafür acht Milliarden Euro vorgesehen. Finanzminister Christian Lindner bezeichnete die Einigung im Etatstreit nach wochenlangen Verhandlungen als klares Signal, dass die Ampel-Koalition handlungs- und einigungsfähig sei. Um eine Lücke von 17 Milliarden Euro im Etat 2024 zu schließen, sollen dem FDP-Chef zufolge auch 1,5 Milliarden Euro bei Sozialleistungen gespart werden.

Der Bundeswirtschaftminister und Verhandlungsführer der Grünen, Robert Habeck, zeigte sich zufrieden. Mit der in der Nacht mit Scholz und Lindner erzielten Einigung werde die Balance gehalten von sozialer Sicherheit, Impulsen für wirtschaftliche Erneuerung und dem Schutzversprechen für die Ukraine. Demnach will die Koalition Einnahmen durch eine stärkere Erhöhung der CO2-Preise für Sprit und fossile Heizstoffe erhöhen. Fördermittel für die Wasserstoffwirtschaft, Dekarbonisierung der Industrie, zur Finanzierung der EEG-Umlage aus dem Etat und für den klimafreundlichen Heizungstausch blieben bestehen. "Alle diese zentralen Säulen bleiben erhalten", sagte Habeck. Zudem sei es künftig wieder möglich, dass der KTF Zuschüsse aus dem regulären Haushalt erhalte.

SCHOLZ: AUSSETZUNG DER SCHULDENBREMSE FÜR FLUTHILFE

Der Etat für 2024 stand schon kurz vor der Verabschiedung, als das Bundesverfassungsgericht mit einem Urteil am 15. November alle Planungen durchkreuzte. Das Gericht verwarf 60 Milliarden Euro im KTF aus früheren Corona-Kreditermächtigungen als verfassungswidrig. Dadurch fehlte der Koalition Geld für geplante Vorhaben. SPD und Grüne forderten daher eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse, die FDP war dagegen.

Die Schuldenbremse soll nun im kommenden Jahr zunächst wieder greifen, nachdem sie für 2023 nachträglich und damit das vierte Jahr in Folge ausgesetzt wird. Allerdings plant die Regierung bereits eine Ausnahme: Für 2,7 Milliarden Euro für den Fluthilfefonds 2021 will die Regierung laut Scholz erneut einen Notlagenbeschluss vorschlagen. Lindner sagte, Ziel sei es, Rechtssicherheit zu geben. Das werde nun geprüft.

An ihren Zielen hält die Koalition laut Scholz fest. "Wir treiben den klimaneutralen Umbau unseres Landes kraftvoll voran, wir stärken den sozialen Zusammenhalt und wir stehen eng an der Seite der Ukraine in ihrem Verteidigungskampf gegen Russland", sagte der Kanzler in einem Statement mit Habeck und Lindner, bei dem keine Fragen zugelassen wurden. "Klar ist aber, wir müssen mit deutlich weniger Geld auskommen, um diese Ziele zu erreichen. Es geht auch um Kürzung und Einsparung", fügte der SPD-Politiker hinzu. Nach seinen Worten wird im KTF für 2024 ein Betrag von zwölf Milliarden Euro gekürzt, im Finanzplan bis 2027 seien es 45 Milliarden Euro. Insgesamt stünden im KTF noch 160 Milliarden Euro zur Verfügung.

Im Fall einer höheren Ukraine-Hilfe soll die Schuldenbremse im Laufe des Jahres nachträglich ausgesetzt werden. "Sollte sich die Situation durch Russlands Krieg gegen die Ukraine verschärfen, etwa weil die Lage an der Front sich verschlechtert, weil andere Unterstützer ihre Ukraine-Hilfe zurückfahren oder weil die Bedrohung für Deutschland und Europa weiter zunimmt, werden wir darauf reagieren müssen", sagte Scholz. "Um vorbereitet zu sein, haben wir bereits miteinander vereinbart, in einer solchen Lage (...) dem Bundestag einen Überschreitungsbeschluss vorzuschlagen, so wie Artikel 115 des Grundgesetzes das in Notsituationen zulässt."

Lindner machte deutlich, dass auch im Etat von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gespart werden solle, dem größten Einzeletat des Haushalts. "Es wird keine Reduzierung der sozialen Standards geben", sagte Lindner. Allerdings sollten "durch mehr Treffsicherheit bei Sozialleistungen" 1,5 Milliarden Euro eingespart werden, etwa durch eine bessere Vermittlung von ukrainischen Geflüchteten in den Arbeitsmarkt.

Trotz der Einigung steuert die Regierung für 2024 zunächst auf eine vorläufige Haushaltsführung zu, bei der Lindner das letzte Wort bei neuen Ausgaben hat. Die Beratung und Verabschiedung des Haushalts durch den Bundestag wäre frühestens im Januar möglich. Offen war am Mittwoch auch noch, ob die sogenannte Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses zum Etat 2024 noch vor Weihnachten stattfinden kann. Dafür wäre eine Sondersitzung kommende Woche in der Weihnachtspause nötig. In der Koalition hieß es, das werde zeitlich sehr schwer, etwa wenn die Union auf einer Anhörung zu den Änderungen bestehe.

Scholz, Habeck und Lindner hatten mehrfach nächtelang um den Etat gerungen. Vizekanzler Habeck ließ am Morgen durchblicken, dass es dabei auch um den Fortbestand der Koalition ging. "Die Verhandlungen sind fertig", schrieb er am Mittwochmorgen um 05.15 Uhr im internen Chat der Grünen-Fraktion, wie Reuters bestätigt wurde. Die Regierung stehe noch, das Ergebnis sei gut.

(Bericht von Holger Hansen, Andreas Rinke, Alexander Ratz, Markus Wacket und Christian Krämer, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)