Reuters

Israel treibt Offensive trotz zunehmender Isolierung voran

13.12.2023
um 16:07 Uhr

- von Bassam Masoud und Michelle Nichols

Gaza/New York (Reuters) - Ungeachtet der UN-Resolution für eine sofortige Waffenruhe treibt Israel seine Angriffe gegen die radikal-islamische Palästinenser-Organisation im Gazastreifen voran.

"Israel wird den Krieg gegen die Hamas mit oder ohne internationale Unterstützung fortsetzen", sagte Außenminister Eli Cohen am Mittwoch. Kampfjets beschossen erneut Teile des dicht besiedelten Küstengebiets. US-Medien berichteten zudem, Israel habe damit begonnen, das Tunnelsystem der Hamas mit Meerwasser zu fluten. Heftige Gefechte am Boden wurden aus dem Süden ebenso wie aus dem Norden gemeldet. Teilweise stießen die israelischen Soldaten Bewohnern zufolge auf heftigen Widerstand. Das Militär teilte mit, binnen 24 Stunden seien zehn Soldaten getötet worden - so viele wie seit Wochen nicht mehr an einem einzigen Tag in dem Krieg.

Für die geplagte Zivilbevölkerung war damit weiter keine Entspannung in Sicht. Der Gazastreifen stehe vor einer "Gesundheitskatastrophe", schilderte die UN-Koordinatorin für humanitäre Hilfe für die besetzten Palästinensergebiete, Lynn Hastings, die Lage. "Wir alle wissen, dass das Gesundheitssystem zusammenbricht oder schon zusammengebrochen ist." Krankheiten breiteten sich aus, Kliniken seien überfüllt.

ISRAEL INTERNATIONAL ZUNEHMEND ISOLIERT

Angesichts der dramatischen Zustände hatte die UN-Vollversammlung am Dienstag mit großer Mehrheit eine Resolution für eine sofortige humanitäre Waffenruhe angenommen. Auch wenn die Resolution nicht rechtlich bindend ist, zeigt sie doch, wie Israel wegen seiner Militärkampagne auf dem internationalen Parkett diplomatisch zunehmend unter Druck kommt. Dreiviertel der 193 Mitgliedstaaten stimmten für die Resolution. Andere, darunter Deutschland, enthielten sich oder lehnten sie ab, etwa Israels wichtigster Verbündeter, die USA. Allerdings ließ US-Präsident Joe Biden so deutlich wie noch nie erkennen, dass er mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nicht voll auf einer Linie ist: Israel beginne seine internationale Unterstützung durch "wahllose Bombardierungen" zu verlieren, sagte Biden. Er forderte Netanjahu auf, seine Hardliner-Regierung umzubilden. Israel könne nicht für immer "Nein" zu einem unabhängigen Palästinenser-Staat sagen.

Israel lehnt eine Waffenruhe ab, weil es befürchtet, dass dadurch die Hamas wieder erstarken könnte. "Eine Waffenruhe in der jetzigen Phase ist ein Geschenk an die Terrororganisation Hamas und wird es ihr ermöglichen, zurückzukehren und die Bewohner Israels zu bedrohen", sagte Außenminister Cohen.

Israel erklärte Ziel der Militäroffensive ist die Zerstörung der militanten Palästinenser-Organisation, die im Gazastreifen das Sagen hat. Auslöser des Kriegs war ein von Hamas-Kämpfern angerichtetes Massaker im Süden Israels am 7. Oktober. 1200 Menschen in Israel wurden getötet und etwa 240 Geiseln genommen. Seitdem greift das Militär den Gazastreifen aus der Luft, zu Boden und vom Meer aus an. Nach palästinensischen Angaben wurden dabei bislang mehr als 18.600 Menschen getötet, Tausende weitere werden vermisst und unter den Trümmern unzähliger zerstörter Gebäude befürchtet.

Unterbrochen wurden die Kampfhandlungen Ende November für eine Woche, um Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu ermöglichen und einen Teil der Geiseln gegen palästinensische Gefangene auszutauschen. Doch anschließend setzte Israel seine Offensive fort und weitete sie auf den Süden aus.

HAMAS: ISRAEL WIRD GAZA NIE UNTERWERFEN KÖNNEN

Den nördlichen Teil hatte das Militär nach eigener Darstellung eigentlich weitgehend unter seine Kontrolle gebracht. Doch auch von dort wird weiterhin über schwere Kämpfe berichtet: Von den zehn getöteten Soldaten, die am Mittwoch gemeldet wurden, kamen die meisten laut einem Bericht des Armee-Rundfunks bei einem Einsatz in Gaza-Stadt ums Leben. Eine Infanterieeinheit sei bei der Verfolgung von Hamas-Kämpfern in ein Gebäude eingedrungen, habe dann aber den Kontakt zur Basis verloren. Als daraufhin eine weitere Einheit nachrückte, gingen in dem Gebäude Bomben hoch und Bewaffnete eröffneten das Feuer.

Unter den Opfern waren auch zwei hochrangige Offiziere, darunter ein Regimentskommandeur. Es war der höchste gemeldete Truppenverlust binnen eines Tages seit dem 31. Oktober, als 15 Soldaten getötet wurden. Die Hamas erklärte, der Vorfall zeige, dass die israelischen Truppen den Gazastreifen niemals unterwerfen könnten.

Auch im südlich gelegenen Chan Junis stießen die israelischen Panzereinheiten nach Darstellung von Anwohnern auf heftigen Widerstand. Heftige Kämpfe tobten im Stadtzentrum, sagte Abu Abdallah, der etwa zwei Kilometer entfernt lebt, der Nachrichtenagentur Reuters.

Unbestätigt blieben zunächst Medienberichte, wonach Israel kürzlich damit begonnen hat, Meerwasser in das weitverzweigte Tunnelsystem der Hamas zu pumpen. Ein Sprecher des israelischen Verteidigungsministeriums lehnte eine Stellungnahme ab. US-Präsident Biden ging auf die Berichte bei einer Pressekonferenz in Washington nicht direkt ein. Er sagte jedoch, es werde geltend gemacht, dass "in keinem dieser Tunnel" Geiseln seien. Die Hamas hatte erklärt, ihre Geiseln in "sicheren Orten und Tunneln" versteckt zu haben.

(geschrieben von Christian Rüttger, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)