Berlin/London (Reuters) - Die deutsche Wirtschaft hat mit scharfer Kritik auf EU-Pläne reagiert, Unternehmen stärker für Missstände in ihren Lieferketten in die Pflicht zu nehmen.
Mehrere Verbände forderten die Bundesregierung am Donnerstag auf, den Kompromiss in Brüssel abzulehnen. Kritisiert wurden vor allem weitere bürokratische Auflagen. Die EU will mit den Plänen durchsetzen, dass Menschenrechte und Umweltstandards in den Lieferketten eingehalten werden.
Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments und die EU-Regierungen haben sich vorläufig auf strengere Regeln für Unternehmen geeinigt. Das neue Regelwerk sieht vor, dass größere Firmen in der EU prüfen und bei Bedarf auch Abhilfemaßnahmen ergreifen müssen, wenn sie feststellen, dass in ihren Lieferketten Kinderarbeit vorkommt oder die Umwelt geschädigt wird.
Der deutsche Arbeitgeberverband BDA teilte mit, es handele sich um einen handwerklich schlecht gemachten Kompromiss, der keine Rechtssicherheit bringe. Es drohe ein Bürokratiemonster. "Wir fordern die Bundesregierung auf, die Richtlinie im Rat der EU abzulehnen." Der Chemieverband VCI sprach von einem weiteren Nackenschlag für Unternehmen wegen zusätzlicher Vorschriften. "Die Bundesregierung muss jetzt Farbe bekennen." Sie dürfe sich in Brüssel nicht enthalten. Die Ampel-Regierung hatte zuletzt immer wieder betont, die Wirtschaft von Bürokratie entlasten zu wollen.
Die geplante Richtlinie gehe weit über die deutschen Bestimmungen hinaus, kritisierte der VCI zudem. "Der Geltungsbereich soll in Zukunft bei Unternehmen mit 500 Beschäftigten liegen. Dadurch vervielfacht sich die Anzahl der betroffenen Unternehmen." In Deutschland seien bisher vom sogenannten Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz nur Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern betroffen. Diese Schwelle sinke 2024 auf 1000 Beschäftigte. Der Industrieverband BDI monierte, dass die Politik Aufgaben des Staaten auf Unternehmen übertrage.
Insider gehen davon aus, dass die EU-Vorgaben in etwa um das Jahr 2027 herum in Kraft treten könnten. Strafen bei Verstößen könnten sich auf bis zu fünf Prozent des weltweiten Umsatzes der Firmen belaufen.
(Bericht von Christian Krämer und Huw Jones, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)