- von Andreas Rinke und Jan Strupczewski und Andrew Gray
Brüssel (Reuters) - Die EU stellt der Ukraine eine Finanzhilfe von 50 Milliarden Euro in Aussicht, hat sich aber auf dem Gipfel in Brüssel wegen des Widerstands Ungarns nicht auf einen formalen Beschluss einigen können.
Die Entscheidung wird nach Angaben von EU-Ratspräsident Charles Michel und des niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte nun auf Januar vertagt. 26 Regierungen seien sich einig gewesen, wie die EU-Haushalte generell bis 2027 aufgestellt werden sollen, betonten beide am frühen Freitagmorgen nach dem Ende der Beratungen. "Wir haben Einstimmigkeit minus einer Stimme", fügte Michel in Anspielung auf Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hinzu. Zuvor hatte der EU-Gipfel bereits ohne Orban die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Ukraine sowie der Republik Moldau beschlossen.
Rutte bedauerte, dass Ungarn eine Einigung im Kreis der EU-27 verweigert habe. Ein EU-Diplomat sagte, dass Orban kein zusätzliches nationales Geld etwa für die Ukraine-Hilfe habe zuschießen wollen. "Wir haben noch etwas Zeit, der Ukraine geht das Geld nicht in den nächsten Wochen aus", betonte Rutte aber. "Ich bin ziemlich zuversichtlich, dass wir Anfang nächsten Jahres eine Einigung erzielen können, wir denken an Ende Januar", fügte er hinzu. Es werde einen weiteren EU-Gipfel geben, um die Einigung zu erzielen. Michel verwies darauf, dass Schweden noch einen Vorbehalt gegen das von den 26 EU-Staaten vereinbarte Finanzpaket habe, weil es erst das Parlament in Stockholm fragen müsse. Allerdings ist unklar, wie die 26 Regierungen weiter vorgehen werden, wenn Orban auch im Januar seine Zustimmung verweigern sollte. Denkbar wäre etwa, die Ukraine-Hilfe außerhalb des EU-Etat als intergouvernmentales Instrument zu vereinbaren.
MICHEL SIEHT STARKES SIGNAL AN DIE UKRAINE
"Heute Abend haben wir ein sehr starkes Signal an die europäischen Bürger, ein sehr starkes Signal an die ukrainischen Bürger gesendet", betonte EU-Ratspräsident Charles Michel und verwies darauf, dass sich 26 Regierungen innerhalb weniger Stunden auf die Finanzen bis 2027 geeinigt hätten. Er betonte mit Blick auf Ungarn, dass die EU mit 27 Mitgliedern aber stärker sei als mit 26. Deshalb versuche man das Land noch an Bord zu bekommen. Orban hatte zuvor deutliche Kritik auf sich gezogen, weil er sich gegen die anderen EU-Staaten gestellt hatte. Ungarns Ministerpräsident hatte argumentiert, dass die Ukraine kein Geld aus dem EU-Haushalt bekommen sollte, weil sie kein Mitglied der Union sei. Er hatte eine Finanzierung außerhalb des EU-Etats vorgeschlagen.
Details über das gesamte Finanzpaket wurden zunächst nicht bekannt. Vor den Beratungen hatte die EU-Kommission, Michel, aber auch Bundeskanzler Olaf Scholz vorgeschlagen, der Ukraine eine Finanzierungs-Fazilität von mehr als 50 Milliarden Euro bis 2027 zur Verfügung zu stellen. Davon sollten rund 17 Milliarden Euro Zuschüsse und der Rest Kredite sein. Diese Hilfe soll dem Land Stabilität geben, das sich seit dem russischen Überfall im Februar 2022 gegen Russland verteidigen muss.
In den Verhandlungen über die Anpassung der EU-Haushalte bis 2027 ging es auch um die Frage, ob die nationalen Regierungen Geld nachschießen, weil es neue Aufgaben gibt und die Kosten für die aufgenommenen Kredite wegen der gestiegenen Zinsen höher sind als erwartet. Michel hatte vor dem Gipfel vorgeschlagen, dass die nationalen Regierungen rund 22 Milliarden Euro bis 2027 zusätzlich überweisen, deutlich weniger als die EU-Kommission gefordert hatte. Kanzler Scholz hatte klar gemacht, dass er die Ausgaben für die Ukraine für zentral halte und dass Deutschland dafür mehr Geld überweisen würde. Andere Länder wie Italien hatten zusätzliches Geld auch für Aufgaben wie Migration gefordert. Offensichtlich gelang es den 26 Regierungen ohne Ungarn ein Paket zu schnüren.
Die EU hatte die Eröffnung der Beitrittsgespräche mit der Ukraine und der Republik Moldau in einem zweistufigen Verfahren beschlossen. Nach der politischen Einigung, die in Abwesenheit von Orban im Verhandlungsraum gelang, sollen die Beitrittsgespräche beginnen, wenn die von der EU-Kommission gesetzten Bedingungen erfüllt worden sind. Die Entscheidung, ob dies der Fall ist, könnte etwa von den EU-Außenministern getroffen werden.
(Bericht von Andreas Rinke; Mitarbeit von Jan Strupczewski und Andrew Gray, redigiert von Alexandra Falk. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)