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Ukraine erhält EU-Zusage über 50 Mrd Euro und Beitrittsgespräche

15.12.2023
um 11:52 Uhr

- von Andreas Rinke und Jan Strupczewski

Brüssel (Reuters) - Die Ukraine hat von der EU die feste Zusage für Finanzhilfen von 50 Milliarden Euro in den kommenden Jahren und die Aufnahme von Beitrittsgesprächen erhalten.

Auf dem EU-Gipfel in Brüssel hatte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban zwar bei beiden Themen Widerstand geleistet. Am Donnerstagabend hatte die EU aber zunächst mit einem Verfahrenstrick die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Ukraine und auch der Republik Moldau durchgesetzt. In der Nacht zu Freitag einigten sich 26 EU-Staaten dann auf ein Finanzpaket für die EU-Haushalte bis 2027, das auch die Hilfe für die Ukraine enthält.

Da das Finanzpaket nur einstimmig verabschiedet werden kann, soll im Januar auf einem Sondergipfel versucht werden, Ungarn noch an Bord zu holen. Ansonsten müssten die EU-26 eine Alternative finden, um der Ukraine die 50 Milliarden Euro zukommen zu lassen. Dies ginge notfalls über eine zwischenstaatliche Vereinbarung außerhalb des EU-Haushalts. EU-Ratspräsident Charles Michel betonte, dass die Zusage für die Ukraine über 50 Milliarden Euro aber stehe.

"Ich bin stolz, Europäer zu sein", sagte Litauens Präsident Gitanas Nauseda am Freitag vor Beginn des zweiten Gipfeltages in Brüssel. Man habe sehr wichtige Entscheidungen zugunsten der Ukraine getroffen, sagte Irlands Regierungschef Leo Varadkar. Es sei klar, dass man nicht nur auf die USA schauen könne, sondern Europa der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland helfen müsse. "Heute (...) haben wir ein sehr starkes Signal an die europäischen Bürger, ein sehr starkes Signal an die ukrainischen Bürger gesendet", hatte EU-Ratspräsident Michel zuvor betont.

Am Freitag wollen die Staats- und Regierungschefs unter anderem über den Nahost-Konflikt sprechen. Dabei geht es um die Frage, ob die EU Israel zu einem Waffenstillstand auffordert. Die Bundesregierung hat dies bisher abgelehnt.

ORBANS SONDERROLLE

Der zweitägige Gipfel wurde vom Widerstand Ungarns überschattet. Sowohl in der Erweiterungs- als auch der Finanzfrage war der nationalkonservative Regierungschef aber isoliert. "Wir haben Einstimmigkeit minus einer Stimme", sagte Ratspräsident Michel. Die 26 EU-Staaten nutzten auf Vorschlag von Kanzler Olaf Scholz dabei einen Verfahrenstrick, um die Blockade Ungarns teilweise zu umgehen: Scholz hatte Orban vorgeschlagen, vor der politischen Einigung über die Aufnahme von Beitrittsgesprächen den Verhandlungsraum zu verlassen. Orban war einverstanden, dass in seiner Abwesenheit grünes Licht für die Gespräche mit der Ukraine gegeben wurde, kritisierte die Entscheidung aber nachträglich.

Orbans Blockade hatte auch deshalb Verärgerung bei den EU-Partner ausgelöst, weil Ungarn in dem mehrjährigen Beitrittsprozess ohnehin angesichts der nötigen Einstimmigkeit bei jeder Eröffnung eines Verhandlungskapitels und am Ende bei der Aufnahme der Ukraine ein Veto einlegen könnte. "Solange er (Orban) das Falsche sagt, aber das Richtige tut, geht es uns gut", betonte die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas. "Es war interessant für die Geschichtsbücher, wie es gemacht wurde."

26 EINIG ÜBER EU-HAUSHALTE BIS 2027 - ABER UNGARN VERZÖGERT

Der niederländische Ministerpräsident Rutte bedauerte, dass Ungarn eine Einigung im Kreis der EU-27 über das Finanzpaket verweigerte. Folgen für die Ukraine habe dies aber nicht. "Wir haben noch etwas Zeit, der Ukraine geht das Geld nicht in den nächsten Wochen aus."

In dem Gipfelbeschluss heißt es nun, dass die Ukraine 50 Milliarden Euro bis 2027 zur Verfügung gestellt werden sollen. Davon sollen rund 17 Milliarden Euro Zuschüsse und 33 Milliarden Euro Kredite sein. Diese Hilfe soll dem Land Stabilität geben, das sich seit dem russischen Überfall im Februar 2022 gegen Russland verteidigen muss.

In den Verhandlungen über die Anpassung der EU-Haushalte bis 2027 ging es auch um die Frage, ob in den kommenden Jahren für andere Aufgaben mehr Geld ausgegeben werden soll als ursprünglich geplant. In der Gipfel-Erklärung werden zusätzliche zwei Milliarden Euro etwa für Grenzschutzmaßnahmen genannt. Für Migrationsabkommen mit Drittstaaten sind weitere 7,6 Milliarden Euro vorgesehen. Der EU-Verteidigungsfonds und der Solidaritäts- und Notfallfonds etwa für Naturkatastrophen sollen jeweils 1,5 Milliarden Euro zusätzlich erhalten.

Um die gestiegenen Kosten für die Rückzahlung der aufgenommenen Kredite im EU-Haushalt zu finanzieren, ist ein kompliziertes neues Konstrukt vorgesehen. Damit wollen die Nationalstaaten sicherstellen, dass sie nicht unbegrenzt mehr Geld nach Brüssel überweisen müssen, sondern zunächst im EU-Haushalt Aufgaben umgeschichtet werden. 10,6 Milliarden sollen in bisherigen EU-Programmen eingespart werden.

(Bericht von Andreas Rinke; Mitarbeit von Jan Strupczewski und Andrew Gray, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)