Santiago (Reuters) - In Chile ist nach offiziellen Angaben auch ein zweiter Entwurf für eine neue Verfassung abgelehnt worden, die die bisherige aus der Zeit der Diktatur von Augusto Pinochet 1980 ersetzen soll.
"Das Land ist polarisiert und gespalten", sagte Präsident Gabriel Boric am Sonntag nach der Abstimmung in einer Fernsehansprache. Nach Angaben der Wahlkommission vom Sonntagabend lag die Ablehnung bei dem Referendum nach Auszählung von 99,65 Prozent der Stimmen bei 55,76 Prozent. Das Ergebnis zeige, dass der Prozess "die Hoffnungen auf eine neue Verfassung (...) nicht erfüllen konnte", sagte Boric. Seine Regierung werde keine dritte Überarbeitung anstreben und die Renten- und Steuerreform durch die Legislative vorantreiben. "Was die Bürger wollen, ist eine bessere Fähigkeit zum Dialog, zum Konsens, aber vor allem zum Handeln", sagte Boric.
Es ist der zweite Verfassungsentwurf binnen zwei Jahren, den die Wählerinnen und Wähler ablehnen. Der Prozess zu einer neuen Verfassung war 2019 inmitten von Großdemonstrationen gegen die Ungleichheit im Land angestoßen worden.
Der erste Entwurf war im September 2022 von den Bürgerinnen und Bürgern mit großer Mehrheit abgelehnt worden. Er war von gewählten Vertretern erstellt worden, die von linken Kräften dominiert wurden. Ihr Text konzentrierte sich auf soziale, indigene, ökologische und Geschlechter-Rechte. Für den zweiten Entwurf wurde eine von konservativen Parteien dominierte Versammlung gewählt. Deren Text wurde als konservativer und marktfreundlicher angesehen. Er stellt das Recht auf Privateigentum und strenge Regeln für Einwanderung und Abtreibung in den Mittelpunkt. Umfragen hatten bereits darauf hingedeutet, dass auch dieser Text scheitert. Eine Ablehnung könnte als Sieg für den linksgerichteten Präsidenten Gabriel Boric gewertet werden.
(Bericht von Natalia Ramos, Fabian Cambero und Alexander Villegas. Geschrieben von Ralf Bode und Katharina Loesche. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)