Berlin (Reuters) - Die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft hat sich zum Jahresende überraschend eingetrübt.
Das Ifo-Geschäftsklima sank im Dezember zum Vormonat um 0,8 Punkte auf 86,4 Zähler, wie das Münchner Ifo-Institut am Montag zu seiner Umfrage unter rund 9000 Führungskräften mitteilte. Zuvor hatte es zwei Anstiege in Folge gegeben. Von Reuters befragte Fachleute hingegen hatten mit einem Plus auf 87,8 Punkte gerechnet. Die Unternehmen beurteilten ihre aktuelle Geschäftslage und ihre Aussichten für die kommenden Monate wieder pessimistischer. "Die Konjunktur bleibt auch in der Weihnachtszeit schwach", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest.
In der Industrie fiel der Geschäftsklimaindex merklich. "Insbesondere energieintensive Branchen tun sich schwer", erläuterte Fuest. Im Dienstleistungssektor verbesserte sich die Stimmung leicht. Die Firmen berichteten von weniger Skepsis bei den Aussichten für das kommende Halbjahr. In der Gastronomie verbesserte sich zwar die Geschäftslage. "Die Erwartungen sind jedoch abgestürzt", erklärte das Ifo. Dies dürfte mit dem Auslaufen von Steuererleichterungen Anfang 2024 zu tun haben. Im Handel trübte sich die Laune der Führungskräfte ein, und im Bauhauptgewerbe fiel der Index sogar auf den niedrigsten Wert seit September 2005.
"Die Bescherung zum Weihnachtsfest für die deutsche Wirtschaft fällt dieses Jahr bescheidener aus", sagte Ifo-Konjunktur-Experte Klaus Wohlrabe der Nachrichtenagentur Reuters. Die Haushaltskrise nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts spiegele die erhöhte Unsicherheit der Firmen wider. Jens-Oliver Niklasch von der LBBW sprach von einem Dämpfer zum Jahresschluss. "Eigentlich sprach in den letzten Wochen vieles für ein Ende der konjunkturellen Talfahrt, zumal am Horizont die Aussicht auf sinkende Leitzinsen für 2024 hell aufleuchtet." Doch mit den jüngsten Daten aus der Industrie seien die Abwärtsrisiken wieder stärker in den Vordergrund getreten. "Das Fass zum Überlaufen gebracht hat dann wohl das Haushaltsurteil der Karlsruher Richter." Nun dürften sich manche Firmen ihre Investitionspläne noch einmal angeschaut haben.
Die deutsche Wirtschaft war im Sommer leicht geschrumpft. Bei einem weiteren Rückgang des Bruttoinlandsproduktes im laufenden Quartal droht ein Rückfall in eine vorübergehende - sogenannte technische - Rezession. Viele führende Wirtschaftsforschungsinstitute wie das Ifo, das Berliner DIW und das IWH aus Halle haben ihre Prognosen für 2024 gesenkt und erwarten nur noch 0,5 bis 0,9 Prozent Wachstum. Das gewerkschaftsnahe IMK geht sogar davon aus, dass die Wirtschaft 2024 - genau wie in diesem Jahr - um 0,3 Prozent schrumpft. Denn der Haushaltskompromiss der Bundesregierung dürfte die Konjunktur bremsen.
(Bericht von Klaus Lauer, Rene Wagner und Reinhard Becker, Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)