- von Christian Krämer und Maria Martinez
Berlin (Reuters) - Bundesfinanzminister Christian Lindner reist am heutigen Dienstag nach Paris, um noch vor Weihnachten eine Einigung zur Reform der europäischen Schuldenregeln zu erzielen.
Wie aus dem FDP-geführten Ministerium verlautete, wird Lindner kurzfristig seinen französischen Amtskollegen Bruno Le Maire am Abend treffen. Ziel sei ein Durchbruch bei den Verhandlungen zur Reform des sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspaktes, der Obergrenzen für Defizite und die Gesamtverschuldung von EU-Staaten setzt. Am Mittwoch wollen dann die europäischen Finanzminister das Thema bei einer telefonischen Sondersitzung beraten.
Lindner und Le Maire sei es wichtig, noch in diesem Jahr eine politische Einigung zu erzielen, damit die Reform noch vor der Europawahl im nächsten Frühsommer abgeschlossen werden könne, so Vertreter der Bundesregierung. "Für die finanzpolitische Stabilität in Europa sind klare Fiskalregeln unverzichtbar."
Anfang Dezember hatte ein achtstündiges Dinner der europäischen Finanzminister nicht den erhofften Durchbruch gebracht. Die bisherigen EU-Schuldenregeln, die als überholt und unrealistisch gelten, sind seit 2020 ausgesetzt - zunächst wegen der Corona-Pandemie, später wegen der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine. Ab 2024 sollen sie wieder greifen, weswegen eine Reform drängt. Erstmals zur Anwendung kämen die neuen Regeln aber erst in der zweiten Jahreshälfte 2024, wenn die Budgetpläne für 2025 von Brüssel bewertet werden müssen.
In den vergangenen Jahren sind die Schuldenstände in Europa deutlich gestiegen. Eigentlich gilt in der EU eine Obergrenze beim Haushaltsdefizit von drei Prozent der jeweiligen Wirtschaftsleistung und 60 Prozent beim gesamten Schuldenstand. Gegen diese Vorgaben wurde in der Vergangenheit aber immer wieder verstoßen, ohne dass dies nennenswerte Konsequenzen gehabt hätte.
Die EU-Kommission will künftig individuell ausgehandelte Abbaupfade für EU-Staaten mit zu hohen Haushaltsdefiziten und Schuldenständen. EU-Länder sollen in der Regel in einem Zeitraum von vier Jahren ihre Werte verbessern müssen, teilweise innerhalb von sieben Jahren. Deutschland pocht aber auf konkrete und jährliche Abbauziele sowie insgesamt mehr Ambitionen bei der Reduzierung von Schulden und Haushaltsdefiziten. Lindner hatte zuletzt betont, es gebe bei den allermeisten Punkten Übereinstimmung. Es fehlten aber noch die richtigen numerischen Vorgaben zum Abbau von Schulden, wenn die Obergrenzen überschritten seien. Vor allem in Defizitverfahren, also dem Umgang mit Ländern, die eine Neuverschuldung von mehr als drei Prozent ausweisen, wollen einige EU-Länder Ausnahmen bekommen, wenn bestimmte Investitionen getätigt werden.
(Redigiert von Christian Rüttger; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)