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Nagel zu Zinssenkungswetten - "Es haben sich schon manche verspekuliert"

20.12.2023
um 12:02 Uhr

Frankfurt (Reuters) - Bundesbank-Präsident Joachim Nagel sieht die Europäische Zentralbank (EZB) in der Inflationsbekämpfung nach zehn Zinsanhebungen auf dem richtigen Weg.

"Die Inflation sinkt. Die Geldpolitik wirkt", sagte Nagel in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview von "t-online". "Und wir erleben keine Rezession." Das seien gute Nachrichten für alle Menschen und für die Wirtschaft, fügte er hinzu. Nagel wies allerdings darauf hin, dass vorübergehend die Inflation in Deutschland wegen Sondereffekten noch einmal steigen werde. Die Commerzbank rechnet für Januar sogar mit einer Rate von 4,00 Prozent. Nagel trat zudem erneut Spekulationen auf rasche Zinssenkungen entgegen.

Die EZB hat die Schlüsselsätze im Kampf gegen den Preisschub seit Sommer 2022 in zehn Schritten um insgesamt 4,50 Prozentpunkte angehoben. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz liegt damit aktuell bei 4,00 Prozent - das höchste Niveau seit Beginn der Währungsunion 1999. Auf ihren jüngsten beiden Zinssitzungen im Oktober und in der vergangenen Woche hatte die EZB aber die Füße stillgehalten. Die Teuerungsrate im Euro-Raum lag zuletzt im November nur noch bei 2,4 Prozent. Die EZB strebt 2,00 Prozent als Optimalwert für die 20-Länder-Gemeinschaft an. Sie rechnet für das Gesamtjahr 2024 mit einer Rate von durchschnittlich 2,7 Prozent.

Nagel mahnte zur Wachsamkeit. "Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ist der Zinshöhepunkt erreicht", sagte er. "Allen, die deshalb gleich auf eine baldige Zinssenkung spekulieren, sage ich: Vorsicht, es haben sich schon manche verspekuliert." Am Montag waren Sloweniens Notenbankchef Bostjan Vasle, Griechenlands Notenbankchef Yannis Stournaras und der Notenbank-Gouverneur der Slowakei, Peter Kazimir, ebenfalls solchen Spekulationen entgegengetreten. Zuletzt war am Finanzmarkt auf eine erste Zinssenkung bereits im März gewettet worden.

Nagel wies darauf hin, dass voraussichtlich zum Jahreswechsel die Inflation in Deutschland vorübergehend noch einmal nach oben gehen dürfte. Vor einem Jahr hatte die Regierung die monatlichen Abschlagszahlungen für Gas und Fernwärme einmalig übernommen. "Diese entfällt nun, und deshalb fallen die Preise im Vergleich zu damals merklich höher aus", sagte Nagel. Daher gilt für ihn: "Insgesamt müssen wir wachsam bleiben: Inflationsbekämpfung ist kein Selbstläufer."

(Bericht von Frank Siebelt, redigiert von Jörn Poltz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)