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Frankreich verschärft Einwanderungsrecht - Le Pen feiert

20.12.2023
um 12:22 Uhr

Paris (Reuters) - Frankreichs Parlament hat eine im Regierungslager von Präsident Emmanuel Macron umstrittene Verschärfung des Einwanderungsrechts beschlossen, die von der extremen Rechten als Erfolg gefeiert wird.

Der Senat und die Nationalversammlung verabschiedeten am Dienstagabend den Gesetzesentwurf, mit dem unter anderem der Zugang von Migranten zu Sozialleistungen verzögert wird. Diese Verschärfung wie auch Erschwernisse bei der Einbürgerung von Migrantenkindern waren dem ursprünglichen Entwurf hinzugefügt worden, um Stimmen der Konservativen zu gewinnen. Im Regierungslager, das in der Nationalversammlung keine eigene Mehrheit hat, zeigten sich nach den Zugeständnissen an die Konservativen deutliche Risse. Aus Macrons Partei stimmten rund drei Dutzend Abgeordnete gegen das Gesetz oder enthielten sich.

Das Gesetz erleichtert auch die Ausweisung illegaler Einwanderer und verwässert Pläne zur Lockerung der Beschränkungen für Aufenthaltsgenehmigungen für Arbeitnehmer in Sektoren mit hohem Arbeitskräftebedarf. Macron dürfte nun bemüht sein, linksgerichtete Anhänger zu beschwichtigen. Der Präsident wurde am Abend in einer Politik-Sendung von France TV erwartet.

Ministerpräsidentin Elisabeth Borne dementierte einen Zeitungsbericht, Gesundheitsminister Aurelien Rousseau habe aus Protest gegen die Gesetzesverschärfungen seinen Rücktritt eingereicht. Im Radiosender France Inter verteidigte Borne das Gesetz und erklärte, es entspreche den Sorgen der Franzosen in Bezug auf Sicherheit und Einwanderung. Sie kündigte zudem an, das Gesetz werde dem Verfassungsrat vorgelegt. Dies schafft die Möglichkeit, dass der Rat einige der schärferen Maßnahmen aufhebt, wenn er sie für verfassungswidrig hält.

LE PEN FEIERT "IDEOLOGISCHEN SIEG"

Der Kompromiss des Regierungslagers mit Konservativen liegt auf einer Linie mit dem Rechtsruck in weiten Teilen Europas, der sich im Bemühen vieler Regierungen zeigt, durch härteres Vorgehen bei Migration auch den Aufstieg rechtsextremer Parteien zu bremsen. In der Europäischen Union haben sich Parlament, Mitgliedstaaten und Kommission in der Nacht zum Mittwoch auf schärfere Migrationsregeln verständigt, die Asylverfahren und Zurückweisungen an den EU-Außengrenzen ermöglichen sollen.

Sechs Monate vor den Wahlen zum Europa-Parlament, bei denen Einwanderung ein Hauptthema werden dürfte, könnte in Frankreich die Verabschiedung des Gesetzes auch der extremen Rechten unter Le Pen Auftrieb geben. Sie begrüßte das veränderte Gesetz als "großen ideologischen Sieg" für ihre Partei, die in der Nationalversammlung dafür stimmte. Das Regierungslager beanspruchte für sich aber, dass es eine Mehrheit auch gegeben hätte, wenn man die Stimmen der Rechtsextremen abziehe.

Linksgerichtete Anhänger Macrons warfen ihm Verrat an seinen Wahlversprechen vor. Macron hatte die Präsidentschaftswahlen 2017 und 2022 für sich entschieden, indem sich die Wähler hinter ihm versammelten, um Le Pen am Sieg zu hindern. Linke Abgeordnete sagten, das Migrationsgesetz sei ein Verrat an den Versprechen, die gemacht worden sein, um rechtsextreme Forderungen abzuwehren. Die Rebellen in Macrons Partei könnten seinen Einfluss im Parlament weiter schwächen und den Rest seiner fünfjährigen Amtszeit möglicherweise erschweren.

(Bericht von Sudip Kar-Gupta, Geert De Clercq, Ingrid Melander, Elizabeth Pineau; Geschrieben von Holger Hansen; Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)