Warschau (Reuters) - In Polen streiten Staatsoberhaupt und neue Regierung über die Arbeit von Zentralbankchef Adam Glapinski.
Präsident Andrzej Duda von der national-konservativen PiS-Partei stärkte Glapinski am Donnerstag demonstrativ den Rücken. Die neue Regierung unter Ministerpräsident Donald Tusk hingegen wirft dem Finanzmanager vor, er habe die Unabhängigkeit der Notenbank untergraben, die Geldpolitik zugunsten der langjährigen PiS-Regierung ausgestaltet und womöglich gegen Verfassungsregeln verstoßen. Deshalb prüft die Dreier-Koalition, Glapinski vor Gericht zu bringen. Der 73-Jährige ist seit Mitte 2016 Gouverneur der Narodowy Bank Polski (NBP) und weist die Vorwürfe zurück.
"Ich stimme nicht mit allen überein, die den Rat für Geldpolitik und den Gouverneur der polnischen Nationalbank für Entscheidungen kritisieren, etwa zu Zinsen und zur Bekämpfung der Inflation", sagte Duda im privaten Radio Zet. "Ich glaube, dass dieser Kampf gegen die Inflation und der Schutz der polnischen Wirtschaft sowohl während der Corona-Zeit als auch danach effektiv, umsichtig und korrekt geführt wird." Auf die Frage, ob es seiner Meinung nach Gründe gäbe, Glapinski vor das Staatsgericht zu bringen, sagte Duda: "Mir sind keine solchen Gründe bekannt."
Anfang Dezember hatte sich auch die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, in den Streit eingeschaltet. Die Gesetze der Europäischen Union schützten Glapinski, sollte die neue Regierung ihn unrechtmäßig belangen oder suspendieren wollen, schrieb Lagarde in einem offenen Brief an Polens Notenbankchef. Die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und der EZB biete Schutz, um die Unabhängigkeit der Gouverneure der nationalen Zentralbanken zu gewährleisten.
Die PiS war zwar bei der Parlamentswahl im Oktober stärkste Kraft geblieben, Tusks Dreier-Allianz aus seinem liberal-konservativen Wahlbündnis Bürgerkoalition (KO) zusammen mit dem "Dritten Weg" und der "Neuen Linken" hatte jedoch die Mehrheit errungen. Duda hatte den allgemein erwarteten Machtwechsel noch verzögert und anfangs dem bisherigen Ministerpräsident Mateusz Morawiecki von der PiS den Auftrag erteilt, eine Regierung zu bilden. Dies scheiterte und Tusk wurde vorige Woche als Ministerpräsident vereidigt. Experten gehen davon aus, dass das Regieren für Tusk nicht allzu leicht werden dürfte. Denn er will einen pro-europäischen Kurs fahren und viele Beschlüsse aus Zeiten der PiS-Regierung rückgängig machen - etwa Teile der umstrittenen Justizreform. Dies könne Duda mitunter verzögern oder bremsen, argumentieren Beobachter.
(Bericht von Alan Charlish, Pawel Florkiewicz und Anna Wlodarczak-Semczuk, geschrieben von Klaus Lauer; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)