Reuters

Erste Schritte zur Rücknahme von Polens umstrittener Justizreform

21.12.2023
um 16:22 Uhr

- von Alan Charlish und Pawel Florkiewicz

Warschau (Reuters) - Gut zwei Monate nach der Wahl in Polen hat das neue Parlament den Weg für erste Schritte zur Rücknahme der umstrittenen Justizreform geebnet.

Die Abgeordneten votierten für eine Resolution, die mehrere Maßnahmen der kürzlich abgelösten national-konservativen PiS-Regierung für verfassungswidrig erklärt. Der weiterhin amtierende Präsident Andrzej Duda hat die Justizreform der PiS allerdings wiederholt unterstützt, was Ministerpräsident Donald Tusk eine Rücknahme erschweren könnte. Auch in anderen Bereichen stehen die Zeichen auf Streit zwischen Duda und Tusk. So bezeichnete Duda am Donnerstag das Vorgehen von Tusks Regierung beim öffentlichen Rundfunk als Anarchie.

Unter der PiS-Regierung war Polen in den vergangenen Jahren in mehreren Bereichen auf Konfrontationskurs zur EU gegangen. Wegen Zweifeln an der Rechtsstaatlichkeit stieß die Justizreform der PiS in Brüssel auf besonders scharfe Kritik. Aber auch der Umgang mit den Medien wurde klar moniert. Milliarden von EU-Geldern für Polen wurden wegen des Streits eingefroren. Polens neue Regierung unter dem ehemaligen EU-Ratspräsidenten Tusk will nun die Justizreform der PiS rasch rückgängig machen.

Die Parlamentsresolution zum Landesjustizrat habe symbolische Bedeutung, sagte Justizminister Adam Bodnar vor den Abgeordneten laut Nachrichtenagentur PAP. "Sie bezeugt, dass wir einfach ein verfassungsrechtliches Problem mit einem der Organe haben, die von sehr großer Bedeutung sind." In der am Mittwoch verabschiedete Resolution heißt es, die Mitglieder des einflussreichen Gremiums seien auf illegalem Weg ernannt worden und müssten zurücktreten. Der Landesjustizrat zeigte sich entrüstet: Die Annahme des Beschlusses untergrabe das Vertrauen in die Verfassungsorgane und die Rechtsordnung, erklärte das Gremium. Die Resolution löse einen Konflikt aus, der das Potenzial für eine Verfassungskrise habe.

DUDA: "KOMPLETT ILLEGALE MASSNAHMEN"

Am Mittwoch hatte Tusks Regierung bereits bei den Medien durchgegriffen. Ein öffentlicher Nachrichtensender wurde abgeschaltet, Manager staatlicher Medien wurden entlassen. Die Regierung erklärte, so solle wieder für Unparteilichkeit gesorgt werden. Staatlichen Medien, allen voran der Nachrichtensender TVP Info, war einseitige Berichterstattung für die abgelöste PiS-Regierung vorgeworfen worden.

Der der PiS nahe stehende Präsident Duda kritisierte das Vorgehen gegen die Medien scharf. "Das sind komplett illegale Maßnahmen", sagte er dem Privatsender Radio Zet. Das schnelle Handeln ohne Parlamentsbeteiligung widerspreche der Verfassung. "Das ist Anarchie." Die neue Regierung wirft Duda ihrerseits vor, während der achtjährigen Amtszeit der PiS-Regierung selbst gegen die Verfassung verstoßen zu haben.

Streit zwischen Duda und Tusks Regierung gibt es auch über die Arbeit von Zentralbankchef Adam Glapinski. Die Regierung beschuldigt den Finanzmanager, er habe die Unabhängigkeit der Notenbank untergraben, die Geldpolitik zugunsten der langjährigen PiS-Regierung ausgestaltet und womöglich gegen Verfassungsregeln verstoßen. Deshalb prüft Dudas Dreier-Koalition, ob sie Glapinski vor Gericht bringen sollte. Der 73-Jährige ist seit Mitte 2016 Gouverneur der Narodowy Bank Polski (NBP) und weist die Vorwürfe zurück.

Duda stärkte Glapinski am Donnerstag demonstrativ den Rücken. "Ich stimme nicht mit allen überein, die den Rat für Geldpolitik und den Gouverneur der polnischen Nationalbank für Entscheidungen kritisieren, etwa zu Zinsen und zur Bekämpfung der Inflation", sagte Duda Radio Zet. "Ich glaube, dass dieser Kampf gegen die Inflation und der Schutz der polnischen Wirtschaft sowohl während der Corona-Zeit als auch danach effektiv, umsichtig und korrekt geführt wird."

(Unter Mitarbeit von Anna Wlodarczak-Semczuk; geschrieben von Elke Ahlswede und Klaus Lauer; redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)