Kairo/Gaza (Reuters) - Eine israelische Großoffensive hat am Donnerstag eine Massenflucht unter bereits zuvor vertriebenen Bewohnern des Gazastreifens ausgelöst.
Zehntausende flohen aus den Bezirken Nuseirat, Bureidsch und Maghasi im Zentrum des dicht besiedelten Küstengebiets. Die Vereinten Nationen (UN) sprachen von mehr als 150.000 Menschen. "Kleine Kinder, Frauen mit Babys auf dem Arm, Menschen mit Behinderungen und ältere Leute wissen nicht, wohin sie gehen sollen", erklärte das UN-Palästinenser-Hilfswerk UNRWA in den sozialen Medien. Die Organisation bezeichnete die Evakuierungsanordnungen Israels als "gewaltsame Vertreibung". Die israelische Armee forderte angesichts vorrückender Panzer zum Verlassen der Kampfgebiete auf.
Viele Menschen, die zuvor aus dem Norden in die Mitte des Gazastreifens geflohen waren, versuchten, sich in der bereits völlig überfüllten Stadt Deir al-Balah in Sicherheit zu bringen. Sie suchten Schutz in provisorischen Lagern. Ein aus dem Norden geflohener Mann, der bereits länger in einer Schule in Deir al-Balah lebt, sagte der Nachrichtenagentur Reuters am Telefon, die neuen Flüchtlinge würden ihre Zelte überall aufschlagen, wo sie eine freie Fläche fänden. Die Essensvorräte würden knapp.
Ungeachtet internationaler Aufforderungen zur Mäßigung hat Israel den Einsatz seiner Bodentruppen kurz vor Weihnachten verstärkt, der Fokus liegt derzeit auf dem Zentrum des Gazastreifens. Am Donnerstag wurden besonders heftige Gefechte aus Bureidsch gemeldet. Anwohner und militante Kämpfer erklärten, israelische Panzer drängen von Norden und dem Osten in den Ort vor. Palästinensischen Angaben zufolge wurden 50 Palästinenser bei israelischen Angriffen im Gazastreifen getötet. Neben der Mitte war auch erneut Chan Junis im Süden Schauplatz heftiger Kämpfe. Auch in diese Stadt hatten sich zuvor viele Menschen aus dem Norden geflüchtet.
Die israelische Regierung hat erklärt, sie werde ihre Bodenoffensive im Gazastreifen nicht beenden, bevor sie die Hamas ausgeschaltet habe. Die radikal-islamische Gruppe, die sich seit Jahrzehnten die Vernichtung Israels auf die Fahnen geschrieben hat, ist im Gazastreifen tief verwurzelt und herrscht dort seit 2007. Der Krieg zwischen der Hamas und Israel begann am 07. Oktober aus, als Hamas-Kämpfer nach Israel eindrangen, 1200 Menschen töteten und 240 Geiseln nahmen. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Behörden wurden bei israelischen Angriffen seitdem mehr als 21.000 Menschen getötet. Praktisch alle der rund 2,3 Millionen Bewohner des Gazastreifens wurden demnach mindestens einmal vertrieben.
(Bericht von Nidal al-Mughrabi and Bassam Masoud, geschrieben von Elke Ahlswede, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)