Reuters

Experten - Türkei nach Mindestlohnanstieg vor neuem Inflationsschub

28.12.2023
um 17:07 Uhr

Istanbul (Reuters) - Der Türkei steht Experten zufolge nach der unerwartet kräftigen Anhebung des Mindestlohns eine neue Inflationswelle ins Haus.

"Die Preise werden um mindestens 25 bis 30 Prozent steigen", sagte der Vorsitzende des türkischen Verbands der Schuhhersteller, Berke Icten, am Donnerstag. "Dies wird sich in den Einzelhandelspreisen niederschlagen."

Arbeitsminister Vedat Isikhan hatte zuvor angekündigt, dass der monatliche Mindestlohn im kommenden Jahr auf 17.002 Lira (519 Euro) steigen wird. Das entspricht einer Erhöhung um 49 Prozent im Vergleich zu dem im Juli festgelegten Niveau. Gemessen zum Januar 2023 ist es sogar eine Verdoppelung. Etwa sieben Millionen Türken werden von der höheren Lohnuntergrenze profitieren. "Eine zweistufige Erhöhung des Mindestlohns wäre sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber besser gewesen und hätte keinen plötzlichen Inflationsschub verursacht", sagte Schuhverbandschef Icten.

Der Mindestlohn wird in der Regel einmal im Jahr angepasst. Wegen der hohen Inflation und der Schwäche der Landeswährung Lira hat die Regierung ihn in den vergangenen zwei Jahren alle sechs Monate heraufgesetzt. Arbeitgeber bekommen zwar Unterstützung, um die Folgen der Mindestlohnerhöhung für die Produktion zu mildern. Diese falle aber geringer aus als erwartet, erklärten Wirtschaftsverbände.

Die Erhöhung werde sich "erheblich auf die Inflation auswirken", sagte ein Ökonom, der anonym bleiben wollte. Die Inflationsrate könnte im ersten Halbjahr 2024 rund 70 Prozent erreichen. Trotz der kräftigen Anhebung würde der Mindestlohn damit inflationsbereinigt sinken, wenn es Mitte des Jahres keine weitere Erhöhung gebe.

Aktuell liegt die Inflationsrate in der Türkei bei 42 Prozent. Die Zentralbank hat ihren Leitzins im zu Ende gehenden Jahr von 8,50 auf 42,50 Prozent angehoben, um die hohe Teuerung einzudämmen.

(Bericht von Ceyda Caglayan und Can Sezer, geschrieben von Rene Wagner, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)