Berlin (Reuters) - Die deutsche Wirtschaft warnt vor zu frühen Zinssenkungen durch die Europäische Zentralbank (EZB). "Von übereilten Senkungen sollte die EZB Abstand nehmen", sagte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura, am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters.
"Erst wenn die Inflation sich nachhaltig auf einem niedrigen Niveau stabilisiert, kann Entwarnung gegeben werden und auch erst dann sollte sie ihre Leitzinsen senken." Die Bekämpfung der Inflation sei von zentraler Bedeutung. Denn stabile Preise schafften Verlässlichkeit und Planbarkeit. "Und dies nicht nur für die Bürger, sondern auch für die Unternehmen", sagte Jandura.
Ähnlich sehen das die Familienunternehmer. "Bei hoher Inflation neigen alle Euro-Regierungen zu noch mehr wettbewerbsverzerrenden Subventionen und zu höheren Schulden", sagte deren Präsidentin Marie-Christine Ostermann. "Wenn die EZB also ihre Aufgabe der Inflationsbekämpfung ernst nimmt, ist das für den Mittelstand langfristig deutlich besser als eine zu frühe Zinssenkung."
Die EZB hat ihren Leitzins im Kampf gegen die Inflation auf das Rekordniveau von 4,5 Prozent hochgeschraubt - zuletzt aber zwei Mal in Folge die Zinsen nicht mehr geändert. Die Verbraucherpreise in der Währungsunion legten im November nur noch um 2,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu. Damit rückt die EZB-Zielmarke von zwei Prozent in Reichweite. An den Finanzmärkten wird daher teils schon für das kommende Frühjahr mit einer ersten Zinssenkung gerechnet. Dadurch könnten die Finanzierungskosten sinken, was die Wirtschaft ankurbeln dürfte.
"Wenn die Zinsen sinken, dürfte im Handwerk vor allem der Wohnungsbau profitieren, da die private Nachfrage nach Wohnbauten begünstigt werden dürfte", hieß es beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Auch das Investitionsklima im Handwerk sollte von geringeren Finanzierungskosten stimuliert werden.
Der Außenhandelsverband BGH sieht nicht primär die EZB, sondern die Politik in der Verantwortung, für mehr Wirtschaftswachstum zu sorgen. "Für die Belebung der Konjunktur und für mehr wirtschaftliche Dynamik liegt der Ball im Spielfeld der Politik", sagte BGA-Präsident Jandura. Die Unternehmen erwarteten von der Politik einen deutlichen Kurswechsel: Solide Finanzen, wirtschaftliche Impulse durch eine Modernisierung der Unternehmensbesteuerung, wirksamer und massiver Bürokratieabbau, bezahlbare Energiepreise und stabile Sozialversicherungsbeiträge.
(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Klaus Lauer - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)