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Preise ziehen wieder an - "Inflation noch nicht besiegt"

04.01.2024
um 14:52 Uhr

Berlin (Reuters) - Rückschlag im Kampf gegen die starke Teuerung: Nach fünf Rückgängen in Folge ist die Inflation in Deutschland im Dezember erstmals wieder gestiegen.

Waren und Dienstleistungen kosteten durchschnittlich 3,7 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag nach einer ersten Schätzung mitteilte. Im November war die Teuerungsrate noch auf 3,2 Prozent gefallen, den niedrigsten Stand seit rund zweieinhalb Jahren. Im Gesamtjahr 2023 zogen die Verbraucherpreise um 5,9 Prozent an - das ist der zweithöchste Wert seit der Wiedervereinigung, übertroffen nur von den 6,9 Prozent im Jahr 2022.

"Das Inflationsproblem ist noch nicht gelöst", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Im Januar wird sogar ein weiterer Anstieg erwartet. "Denn der Staat dürfte die Verbraucherpreise etwa durch höhere CO2-Preise oder die gestiegene Mehrwertsteuer für Gaststätten um schätzungsweise 1,2 Prozent erhöhen."

"DAS GIBT ES SELTEN"

Grund für den von Ökonomen so erwarteten Anstieg am Jahresende ist ein Sondereffekt: Der Staat übernahm im Dezember 2022 einmalig die monatliche Abschlagszahlung für Erdgas und Fernwärme, um die Haushalte bei den Energiekosten zu entlasten, die nach dem russischen Angriff auf die Ukraine stark gestiegen waren. "Diese Maßnahme der Bundesregierung hatte sich im Dezember 2022 dämpfend ausgewirkt, im Dezember 2023 hatte sie folglich einen steigernden Effekt", erklärten die Statistiker dazu. Dadurch verteuerte sich etwa Fernwärme in Nordrhein-Westfalen um 40,0 Prozent.

"Einen derart großen Basiseffekt gibt es selten", sagte dazu der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding. "Abgesehen von statistischen Sondereffekten lässt der Inflationsdruck weiter nach." So sank die sogenannte Kerninflation - bei der Energie- und Lebensmittelpreise herausgerechnet werden - bundesweit von 3,8 auf 3,5 Prozent. "Das signalisiert, dass der Preisdruck in der Breite unverändert nachlässt, und spricht für einen intakten Abwärtstrend bei der Inflation", sagte auch die Chefvolkswirtin der Förderbank KfW, Fritzi Köhler-Geib.

Preistreiber Nummer eins blieben im Dezember die Nahrungsmittel. Sie verteuerten sich um durchschnittlich 4,5 (November: +5,5) Prozent. Energie kostete 4,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor (November: -4,5 Prozent). Für Dienstleistungen wurden 3,2 (November: +3,4) Prozent mehr verlangt.

"BALDIGE ZINSSENKUNGEN LASSEN SICH NICHT ABLEITEN"

Der Kampf gegen die Inflation dürfte auch im neuen Jahr eine zähe Angelegenheit bleiben, was auch an mehreren politischen Entscheidungen liegt. So dürften die Energiepreise im Januar zulegen, da der CO2-Preis von 30 Euro je Tonne stärker als ursprünglich geplant auf 45 Euro gestiegen ist. Zudem ist die Preisbremse bei Gas und Strom zum Jahreswechsel ausgelaufen. Ferner zahlen Gas- und Fernwärmekunden wieder die volle Mehrwertsteuer von 19 statt der ermäßigten sieben Prozent. Auch auf Speisen in Restaurants kehrt sie auf das alte Niveau von 19 Prozent zurück. Die Ökonomen der Deutschen Bank gehen dennoch davon aus, dass die Inflationsrate 2024 sinken wird: Sie soll auf 2,6 Prozent fallen.

Die nach europäischen Standards berechnete Inflationsrate für Deutschland kletterte im Dezember sogar auf 3,8 Prozent, nachdem sie sich im November mit 2,3 Prozent der Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent genähert hatte. "Baldige Zinssenkungen der EZB lassen sich daraus kaum ableiten", sagte der Chefökonom von HQ Trust, Michael Heise. "Die Inflationsentwicklung steht der Markterwartung rasch sinkender EZB-Leitzinsen entgegen", betonte auch der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger. Die EZB hatte den Leitzins im Kampf gegen die Inflation auf 4,5 Prozent nach oben geschraubt. Beobachter halten ab Frühjahr eine erste Zinssenkung für möglich.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)