- von Andreas Rinke und Rene Wagner
Berlin (Reuters) - Nach dem Beginn der Bauernproteste haben mehrere Bundesländer die Bundesregierung aufgefordert, die geplanten Subventionskürzungen beim Agrar-Diesel zurückzunehmen.
Die Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen von Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und dem Saarland kritisierten am Montag eine zu hohe Belastung der Landwirte bei den Haushaltkürzungen der Ampel-Koalition. Das Bundeskabinett beschloss die Kürzung aber in einem schriftlichen Umlaufverfahren als Teil des Haushaltspakets 2024. Die Bauern sorgten in vielen Teilen Deutschlands mit Traktoren für Verkehrsbehinderungen und Blockaden. Auch einige Grenzübergänge wurden blockiert.
Die Bauern wollen eine Woche lang gegen die schrittweise Streichung der Subventionen für Agrar-Diesel protestieren. Auch der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) beteiligt sich mit Spediteuren und Lkw-Fahrern an den Protesten und wendet sich gegen eine doppelte CO2-Bepreisung bei Maut plus Diesel. Vor allem in der zweiten Wochenhälfte könnte es in Deutschland erhebliche Auswirkungen auf den Verkehr und auch für die Unternehmen geben, zumal dann auch die Lokführer-Gewerkschaft GDL im Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn streiken will.
Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) schließt negative Folgen für die Konjunktur nicht aus. "Das Zusammenspiel zwischen Straße und Schiene ist vor allem dann ein Problem, wenn parallel blockiert würde", sagte IW-Experte Hagen Lesch zu Reuters. Dann wären die Bauernproteste möglicherweise auch nicht mehr verhältnismäßig. "Angesichts der ohnehin bestehenden Logistikprobleme auf Straße und Schiene sind die Aktionen für das Standortimage sicherlich nicht hilfreich", sagte Lesch. Ähnlich äußerte sich der Handelsverband Deutschland (HDE). Die Produktion im VW-Werk Emden ruhte am Montag wegen Verkehrsbehinderungen im Zuge der Bauern-Proteste.
"ÜBERDURCHSCHNITTLICHE BELASTUNG DER BAUERN"
Niedersachsens Ministerpräsident Weil sprach im ZDF von einer überdurchschnittlichen Belastung der Landwirtschaft bei den Einsparungen für den Bundeshaushalt 2024 und kritisierte ein fehlendes Konzept der Ampel. Die Bauern würden auch durch andere Maßnahmen wie den steigenden CO2-Preis belastet. 2023 habe es nur vorübergehend etwa hohe Abnahmepreise bei Milch gegeben. Die Landwirtschaft sei in einer "Sandwich-Position", weil sie etwa beim Kampf gegen den Klimawandel immer höhere Auflagen habe, aber international in einem Wettbewerb stehe, sagte Weil. Die Einkommenssituation gilt zudem zwischen Groß- und Kleinbetrieben sowie bei den verschiedenen landwirtschaftlichen Produkten als sehr unterschiedlich.
Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied verwies darauf, dass die Ampel-Regierung die Landwirte mit Entscheidungen gleich mehrfach treffe. Die Regierung spare etwa auch bei der Gemeinschaftsaufgabe Agar und Küstenschutz sowie bei der ländlichen Unfallversicherung ein, sagte er bei der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe im Bundestag im bayerischen Seeon. Dazu kämen Kürzungen bei der EU-Landwirtschaftspolitik bei Direktzahlungen. "Uns wird Zukunftsfähigkeit genommen", kritisierte Rukwied.
Parteiübergreifend forderten neben Weil auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), ihr Kollege Hendrik Wüst aus Nordrhein-Westfalen (CDU), Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU), die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) und Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) eine Rücknahme der Ampel-Beschlüsse. Wüst und Kretschmer warfen der Bundesregierung mangelnde Bereitschaft zum Dialog mit den Bauern vor. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt machte die Ampel eine zunehmende Polarisierung des Landes verantwortlich.
Wirtschaftsminister Robert Habeck verteidigte auf der Online-Plattform X die geplanten Kürzungen. Es gebe sicherlich eine "Industrialisierung" der Landwirtschaft und in diesem Rahmen seit Jahren ein Sterben kleiner Höfe. Diesen Strukturwandel erkenne auch der Bauernverband an. Die Bundesregierung erhalte aber trotz der Kürzungen einen erheblichen Teil der Subventionen für die Landwirte bei.
BLOCKADEN IN GANZ DEUTSCHLAND
Protestaktionen fanden am Montagmorgen in vielen Bundesländern statt. In Berlin versammelten sich Landwirte mit ihren Traktoren etwa vor dem Brandenburger Tor, in Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Rheinland-Pfalz blockierten sie Autobahnzufahrten. Die Polizei meldete zudem die komplette Blockade des deutsch-französischen Grenzübergangs bei Rastatt-Wintersdorf "durch Traktoren und enormes Verkehrsaufkommen". In München gab es am Vormittag eine zentrale Kundgebung. Der Bauernverband hatte angekündigt, dass die Proteste an verschiedenen Orten die ganze Woche über laufen sollen.
Verbandspräsident Rukwied hatte schon am Wochenende rechte Gruppierungen davor gewarnt, die angekündigten Demonstrationen zu unterwandern. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte betont, die Sicherheitsbehörden würden genau auf eine Beteiligung von Extremisten an dem Protesten achten. Auch Habeck warnte auf X vor einer "Verrohung" der politischen Debatte und verwies darauf, dass auf Veranstaltungen in der Vergangenheit "völkisch-nationalistische Symbole" offen gezeigt worden seien.
(Mitarbeit: Maria Sheahan; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)