Berlin/Kiew (Reuters) - Angesichts intensiver russischer Angriffe auf die Ukraine wächst der Druck zu mehr Waffenlieferungen.
Politiker mehrerer Parteien unterstützten den Vorstoß von Kanzler Olaf Scholz, dass die EU-Partner mehr Waffen liefern müssen. Allerdings müsse die Bundesregierung dann auch Taurus-Marschflugkörper liefern, forderten die Vorsitzende des Verteidigungs-Ausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), der Vorsitzende des Europaausschusses, Anton Hofreiter (Grüne), sowie CDU-Chef Friedrich Merz. Ein Sprecher der ukrainischen Luftwaffe sagte, es herrsche ein Mangel an Luftabwehrraketen.
"Der Bundeskanzler hat recht", sagte Strack-Zimmermann der Nachrichtenagentur Reuters. "Nur Europa gemeinsam kann der Ukraine wirkungsvoll helfen. Deutschland kann das definitiv nicht bilateral und alleine lösen." Mit Blick auf die von Scholz bislang verweigerte Lieferung des Marschflugkörpers "Taurus" aus Bundeswehrbeständen sagte sie: "Das ändert allerdings nichts daran, dass wir schnellstmöglich die Taurus liefern müssen." Die Bundesregierung hat bisher keine Zustimmung für eine Lieferung der Marschflugkörper mit einer größeren Reichweite gegeben.
Noch kritischer äußerte sich der Grünen-Politiker Hofreiter: Der Kanzler habe zwar recht mit seinem Appell. "Aber diese Anforderung an andere fällt auf ihn zurück", sagte er zu Reuters. "Denn auch Deutschland als mit Abstand wirtschaftlich stärkstes Land Europas muss deutlich mehr tun." Die Ukraine brauche deutlich mehr Munition, Ersatzteile und Artillerie. "Es ist bizarr, dass Scholz bereit ist, der Diktatur Saudi-Arabien Kampfjets zu liefern, aber der Ukraine wichtige Waffen zu verweigern", fügte Hofreiter hinzu.
Auch aus der CDU kommt Unterstützung und Kritik. "Das ist eine gute Botschaft. Sie sollte allerdings auch für Deutschland selbst gelten", sagte CDU-Chef Friedrich Merz der "Rheinischen Post" mit Blick auf die Scholz-Forderung. "Das Zögern bei der Lieferung des Marschflugkörpers Taurus muss aufhören." Der außenpolitische Sprecher der CDU, Jürgen Hardt, bemängelte vor allem, dass Scholz immer wieder sage, dass Russland nicht gewinnen und die Ukraine nicht verlieren dürfe. "Das Leiden der ukrainischen Bevölkerung könnte durch konsequente Unterstützung durch uns verkürzt werden," sagte er. "Die Zögerlichkeit des Bundeskanzlers in Fragen der Taurus-Lieferung verlängert das Sterben und Leiden der ukrainischen Bevölkerung."
Das ukrainische Militär beklagte ein Defizit bei Flugabwehrraketen. Die Ukraine habe zuletzt eine "beträchtliche Reserve" an Raketen zur Verteidigung gegen die jüngsten Angriffe eingesetzt, sagte Luftwaffensprecher Jurij Ihnat. Russland hatte in den vergangenen Wochen seine Luftangriffe auf die Ukraine verstärkt und nach ukrainischen Angaben Hunderte Raketen und Drohnen auf ukrainische Städte weit hinter der Frontlinie abgefeuert. Die russische Regierung wollte am Dienstag nicht auf Vorwürfe der Ukraine und der USA reagieren, bei den Angriffen auch von Nordkorea gelieferte Raketen einzusetzen.
Scholz hatte am Montag mit Hinweis auf die geplante Verdopplung der deutschen Militärhilfe 2024 die EU-Partner aufgefordert, ihre Anstrengungen zu verstärken. Er verlangte bis zum EU-Sondergipfel Anfang nächsten Monats Klarheit, wie viel Waffen und Munition die 26 anderen Staaten an die Ukraine liefern wollen. Was bisher bekannt sei, reiche nicht aus.
Am 1. Februar wollen die 27 EU-Staaten über Hilfen für die Ukraine beraten. Dabei geht es auch darum, die angestrebte mehrjährige Finanzhilfe für die Ukraine im Umfang von 50 Milliarden Euro zu beschließen. Im Dezember hatte Ungarn auf dem EU-Gipfel dazu die Zustimmung verweigert.
(Bericht von Andreas Rinke, Olena Harmash, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)